Fatales Versagen

05. September 2024, 12:28 Uhr

Daumen hoch oder Daumen runter? Niko Arnautis gerät in Erklärungsnot. © dpa

Die Eintracht Frauen scheiden in der Vorqualifikation zur Champions League aus und blamieren sich – beim Bundesliga-Dritten klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander.

Als kürzlich in Dresden der FC Bayern und VfL Wolfsburg erstmals seit Ewigkeiten wieder den Supercup bei den Frauen ausgespielt haben, war es dem Münchner Trainer Alexander Straus ein Anliegen, dass die Öffentlichkeit nicht nur auf die beiden Spitzenklubs blickt, die seit zehn Jahren alle nationalen Trophäen abräumen. Eintracht Frankfurt habe auch eine sehr gute Mannschaft. Eine, die vielleicht auch mal in den Zweikampf eingreifen kann. Doch der Norweger könnte sich früh in der Saison geirrt haben.

Obwohl die Hessen unter erheblichen finanziellen Anstrengungen ihren Kader zusammengehalten haben und die von Bayer Leverkusen gekommene Nationalspielerin Elisa Senß sagte, sie habe sich deshalb für Frankfurt entschieden, weil sie international spielen und Titel gewinnen wolle, klaffen beim Bundesliga-Dritten Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie lange nicht mehr. Das überflüssige Scheitern an der allerersten Hürde in die Champions League bringt auch Trainer Niko Arnautis in Erklärungsnot.

2017 noch beim Vorgängerverein 1. FFC Frankfurt ins Amt gekommen, erwarb sich der Pädagoge nach der Fusion mit der Eintracht 2020 große Verdienste für den Neuaufbau, doch die Weiterentwicklung stockt. Laura Freigang, Nicole Anyomi oder Sophia Kleinherne haben nicht ohne Grund keinen Stammplatz bei der Nationalelf oder sind aus dem Kader geflogen. Konkurrenzkampf findet unter Arnautis‘ Anleitung kaum noch statt.

Frankfurts Vorstandschef Axel Hellmann kann das nicht gefallen, wenn für die Quersubventionierung keine Gegenleistung erfolgt. Im Vorjahr hatte der Klub für alle Heimspiele auf internationaler Bühne den Frauen die Arena geöffnet, auch wenn es ein Zuschussgeschäft war. Klar, der Weg in die Königsklasse ist steinig. Im Vorjahr war der Vizemeister VfL Wolfsburg gestrauchelt. Nun leistete sich die Eintracht keine vier Wochen nach Olympia-Bronze für Deutschland einen Offenbarungseid gegen einen zweitklassigen Gegner aus Portugal. Die widrigen Bedingungen in Island dürfen keine Entschuldigung sein.

Nia Künzer hat es geahnt

Kaum Ideen, fehlende Präzision, wenig Durchschlagskraft: Es waren jene Mängel, die ja auch beim deutschen Nationalteam seit längerem zu besichtigen sind. Sportdirektorin Nia Künzer hatte deshalb im Freudentaumel über die Medaille zum Abschied von Horst Hrubesch angemerkt: „Wir wissen auch, dass es weitere Entwicklungsschritte braucht, um uns dauerhaft auf internationalem Topniveau zu etablieren.“ Das Versagen von ihrem Heimatverein wirft ein Schlaglicht auf die tiefer liegenden Probleme.

Sollte Wolfsburg wieder in den Playoffs scheitern und Bayern abermals die Gruppenphase nicht überstehen, könnte Deutschland sogar Startplätze für die ab 2025 reformierten Europapokalwettbewerbe verlieren. In der Saison 2023/2024, als erstmals kein Bundesligist die K.o.-Runde erreichte, war man im Uefa-Ranking nur noch die sechststärkste Nation.

Bei der Eröffnungsveranstaltung der Bundesliga hatten Künzer und Bundestrainer Christian Wück betont, wie wichtig es daher wäre, dass alle drei deutschen Vertreter in der Gruppenphase gut abschneiden – nun ist der erste schon in der Vorqualifikation desolat gestrauchelt. Für die Fortentwicklung des deutschen Frauenfußballs ist das Frankfurter Versagen fatal. Die Gründe gehören selbstkritisch aufgearbeitet. Nicht nur bei der Eintracht, sondern gleich auch in der Verbandszentrale, die nur einen Steinwurf entfernt liegt.