FC Midtjylland: Elf Dateien sollt ihr sein
Vieles geht beim FC Midtjylland im Gleichklang: Valdemar Byskov (li.) und Jan Kuchta richten die Stutzen. © IMAGO/Gonzales Photo
Manchmal kann man schon schmunzeln über die Wahl eines Vornamens, und wir stellen uns mal Familie Thomasberg aus Haverslev aus Nordjütland vor, wie sie sich nach der Geburt ihres Sohnes den Kopf zerbrochen hat, wie der Filius denn heißen könnte. Nach langem Grübeln die Erleuchtung: Nennen wir ihn doch ...Thomas. 50 Jahre ist das jetzt her, und am Donnerstagabend steht Thomas Thomasberg an der Außenlinie im 12 000 Menschen fassenden MCH Stadion zu Herning im Herzen Dänemarks und treibt seinen FC Midtjylland nach vorne, am Donnerstag (21 Uhr/RTL) Gegner von Eintracht Frankfurt im fünften Spiel der Europa League.
Thomas Thomasberg ist erst seit August 2023 Coach in Mitteljütland, wieder Coach muss man sagen, zuvor war er Spieler, von 1999 bis 2004, danach wurde er Co-Trainer und 2008 erstmals Cheftrainer. Er kennt seine Jungs also, kennt den Klub und seine ganz spezielle Ausrichtung, selbst wenn er danach beruflich auf Reisen ging. Vor allem gilt er als ausgewiesener Fachmann, ja als Vorreiter der Art, eine Mannschaft zusammenzustellen, die einst in Dänemark beinahe revolutionär war, mittlerweile von vielen übernommen wurde und sich unter dem Begriff „Mathe-Fußball“ oder „Spielen nach Zahlen“ ganz plakativ zusammenfassen lässt.
Der FC Midtjylland, erst 1999 nach der Fusion der Vereinen Herning Fremad und Ikast FS gegründet, gilt seit 2014, seit der englische Physiker Matthew John Benham - Inhaber des Sportanalyseunternehmens Smart Odds und mit Sportwetten reich geworden - die Aktienmehrheit gekauft hatte, als digitaler Vorreiter, als ein Klub, der aufgrund von Algorithmen, Datenanalysen, Wahrscheinlichkeiten und einem ausgeklügelten, eigens entwickelten Scoutingsystems erstaunlich erfolgreich unterwegs ist und KI in den Fußball gebracht hat. Seit dem die Mathematik Einzug gehalten hat beim FCM, der in Herning beheimatet ist, einer Stadt mit 50 000 Einwohnern, damit kleiner als der Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen, ist man viermal dänischer Meister geworden, zuletzt in diesem Jahr.
Rechenschieber gegen Flow
Der dänische Klub, aktuell punktgleich mit Tabellenführer FC Kopenhagen auf Platz zwei der 3F-Superliga, erstellt für jeden Spieler individuelle Leistungsprofile, Spielzüge, Standards, Laufwege. Transfers ließ man in Mitteljütland auf Grundlage mathematische Modelle und statistischer Analysen errechnen, mittels „KPIs“, Key Performance Indicators. „Anstelle von Gefühlen haben wir Fakten“, lautete ein Leitmotiv der „Ulvene“, Wölfe. Ein anderes: „Weil wir nicht die finanziellen Möglichkeiten der Anderen haben, müssen wir schlauer sein.“
Deshalb spielen in Midtjylland aktuell Profis aus aller Herren Länder, aus Kolumbien, Chile, Uruguay, Brasilien, aus dem Senegal, Guinea-Bissau, Sambia, Polen, Tschechien, Schweiz, Türkei, Südkorea und den skandinavischen Ländern, deshalb ist eine der ganz großen Stärken dieses im 4-4-2 spielenden Teams, aktuell mit sieben Punkten (4:3 Tore) auf Platz 13 in der Europa League, der ruhende Ball, gerade bei Standards ist Kapitän Mads Beeh Sörensen ein gefährlicher Schütze. Sie pflegen haarklein einstudierte Tiefenläufe, lieben es, über die Außen zu kommen und ziehen sich nach einer Führung nicht zurück, sondern attackieren weiter, weil das die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Tores erhöht.
Allerdings ist das Team momentan nicht in allerbester Form, fünf der letzten sieben Pflichtspiele gingen verloren, darunter auch 1:5 gegen Bröndby IF. Erst am Montag schlugen sie zu Hause Silkeborg 1:0, die Hessen haben somit zwei Tage länger Pause. Allerdings ist der FC Midtjylland, bei dem sich unter anderen auch die aktuell in der Bundesliga tätigen Trainer Bo Henriksen (FSV Mainz 05) und Jess Thorup (FC Augsburg) mühten, seit acht Europapokal-Heimspielen ungeschlagen. In der Qualifikation für die Champions League scheiterte der amtierende dänische Meister im letzten Playoff-Spiel an Slovan Bratislava (1;1, 2:3), momentan Vorletzter in der Königsklasse.
Prunkstück der Dänen, neben der Variabilität, ist sicherlich die Abwehr, nur drei Gegentreffer ließen sie international zu. Im Tor steht Elias Olafsson, mit 2,01 Meter fast ein Riese, Bech Sörensen und Ousmane Diao bilden die Innenverteidigung, rechts in der Viererkette spielt der schnelle Kevin Mbabu, einst beim VfL Wolfsburg am Ball. Emiliano Martinez und Denil Castillo sichern im Mittelfeld ab, Adam Buksa und Franculino Dju (zehn Pflichtspieltore) sorgen für Sturm und Drang.
Gespannt darf man sein, ob der dänische Rechenschieber am Donnerstagabend über den Frankfurter Flow triumphiert.
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