Gerumpel abgehakt
Wenn es in echt doch nur halb so schnell gegangen wäre: So aber mühte sich Eintracht Frankfurt zu einem 1:0 gegen Riga. © IMAGO/Vitalii Kliuiev
In der dritten Minute der Nachspielzeit eines langatmigen und niveauarmen Fußballspiels vor fast 60 000 Menschen im Waldstadion wurde dem Frankfurter Einwechsler Jean-Matteo Bahoya übel mitgespielt. Der junge Franzose leitete einen letzten Konter für die Eintracht in der Europa-League-Partie gegen Riga FS ein, spitzelte den Ball an den Kontrahenten vorbei, ehe Haruna Rasid Njie angerauscht kam und ihn mit einer Harakiri-Aktion über die Klinge springen ließ. Bahoya stürzte spektakulär, Hals über Kopf, jeder im Stadion hielt erst einmal die Luft an, es sah aus, als hätte sich der Flügelspieler jeden einzelnen Knochen im Körper brechen können.
Bahoya aber rappelte sich zur Überraschung aller sofort wieder auf, bereit, sogleich weiterzuspielen. Das wiederum konnte der Kollege Hugo Larsson nicht so wirklich verstehen, die letzte Minute war ja angebrochen, die Frankfurter lagen denkbar knapp 1:0 vorne, und da dürfe man ja mal etwas Zeit von der Uhr nehmen, weshalb der Schwede seinen Mitspieler einfach wieder zu Boden schubste, was dieser mit einem verdutzten Blick quittierte. Sekunden später war Feierabend.
Eine ganz lustige Begebenheit, letztlich ohne Relevanz. Aber doch bezeichnend. Denn wenn man gegen ein fußballerisches Leichtgewicht wie diesen jungen Verein aus Lettland zum Schluss sogar um den Sieg zittern muss und auf schnödes Zeitspiel angewiesen ist, dann stimmt irgendetwas nicht im Staate Eintracht.
Natürlich hakten die Frankfurter Verantwortlichen das matte 1:0 routiniert ab, Trainer Dino Toppmöller wollte einen „klassischen Arbeitssieg“ gesehen haben, was richtig ist. Aber etwas mehr, gerade auf internationaler Bühne, dürfte es dann schon sein. Im Grunde ist es einigermaßen grotesk, dass der Fußballgnom aus Riga im zweiten Abschnitt sogar zu zwei hochkarätigen Torchancen kommt, wobei einmal die Latte des Kastens von Kevin Trapp sogar auf eine ernste Belastungsprobe gestellt wurde. „Das, was wir uns vorgenommen haben, haben wir nicht umgesetzt“, rekapitulierte Kapitän Trapp.
Immerhin: An Selbstkritik mangelte es den Spielern und dem Trainer nicht, was angesichts der so offensichtlich zu Tage getretenen Defizite aber nur logisch ist. Antreiber Hugo Larsson räumte schelmisch grinsend sogar ein, in der ersten Hälfte beinahe eingeschlafen zu sein. Da saß der Schwede noch auf der Bank, zwecks Schonung. Dass der 20-Jährige dann nach seiner Einwechslung zum Matchwinner avancierte und das Goldene Tor erzielte, war kein Zufall. Denn Larsson brachte eine andere Note ins eintönige und schablonenhafte Eintracht-Spiel, nämlich Dynamik, Power, Tiefe. „Bezeichnend, dass Hugo das Tor macht. Er hat das Spiel total belebt“, befand Coach Toppmöller, der dem Spieler bescheinigte, „genau das gemacht zu haben, was wir uns erwartet haben“. Trotzdem musste der Trainer in der Halbzeitpause laut werden, um seine Mannen zu mehr Engagement und Intensität zu animieren. „Wir brauchen eine andere Energie auf dem Platz“, habe der Trainer seinen Schützlingen auf den Weg gegeben, befand Hugo Larsson.
Der schwedische Internationale war der Schlüsselspieler, das Zünglein an der Waage. Er nahm die Rolle ein, in die andere hätten schlüpfen sollen, Can Uzun etwa oder auch Stürmer Igar Matanovic. Doch beide enttäuschten. Das Experiment mit Matanovic als dritten Angreifer oder an Stelle von Hugo Ekitiké dürfte erst einmal eingemottet werden. Matanovic reicht noch nicht annähernd an das Niveau der beiden Topstürmer Ekitiké oder Omar Marmsouh heran, und mit allen dreien zusammen hat es bisher auch nicht funktioniert, weil zwei von ihnen dann auf Positionen spielen müssen, „auf denen sie sich nicht ganz so wohl fühlen“, wie Toppmöller einräumte. Er sprach von einer „Krux“ und fragte rhetorisch: „Gibt’s eine Lösung dafür?“ Bisher jedenfalls noch nicht. Daher wird er zum Altbewährten zurückkehren: Doppelsturm Marmoush/Ekitiké. Richtig so.
Dass sich die Eintracht gegen die Letten so schwertat, hatte damit zu tun, dass das Team aus dem Baltikum sehr tief vereidigte, die Frankfurter ihrerseits zu langsam spielten, nicht die erforderliche Passschärfe zeigten und zu wenige Tiefenläufe versuchten. Vieles sah aus wie in der wenig erquicklichen Rückrunde der Vorsaison. Allerdings dient das Riga-Spiel als Blaupause, es werden noch mehr Mannschaften ihr Heil im Verbarrikadieren versuchen. Da müssen Lösungen her.
Und Toppmöller glaubt, dass es für sein Ensemble im Unterbewussten eine Rolle spielte, gegen Leverkusen trotz Niederlage gute Kritiken eingeheimst zu haben und dann auf einen kleinen Gegner zu treffen, gegen den „jeder ein Schützenfest erwartet. Das ist für den Kopf nicht so einfach.“
Ein Schützenfest erwartet am Sonntag (17.30 Uhr/Dazn) im Auswärtsspiel bei Union Berlin niemand, und niemand wird die Köpenicker zudem auf die leichte Schulter nehmen. Wer ins internationale Geschäft wolle, „sollte Union auf dem Schirm haben“, findet Toppmöller, der sich mit der blassen Vorstellung gegen Riga nicht mehr aufhalten wollte. „Wir stecken unsere ganze Energie in das, was vor uns liegt“. Im Drei-Tages-Rhythmus bleibe gar keine Zeit für tiefschürfende Analysen. Der Fokus müsse stets sofort auf die nächste Aufgabe gerichtet sein, egal, wie die Partie zuvor endete. „Ich habe nach dem 3:3 gegen die Bayern gesagt, wir lassen uns jetzt nicht zwei Wochen feiern. Genauso wie ich jetzt sage, dass wir uns nicht grämen, weil wir am Donnerstag kein Feuerwerk abgebrannt haben“.
An der Alten Försterei wird sich die Eintracht wieder auf ihre Stärken und überfallartige Konter besinnen können, denn die erstarkten Eisernen stünden unter Bo Svensson für hohes Pressing. Das kommt den Hessen eigentlich entgegen. Auch wenn Dino Toppmöller bedeutet: „Union ist wieder Union.“ Es ist als Kompliment zu verstehen.
EBIME RASSISTISCH BELEIDIGT Eintracht-Profi Eric Dina Ebimbe ist auf seinem Instagram-Account rassistisch beleidigt worden. Der 23 Jahre alte Franzose mit kamerunischen Wurzeln veröffentlichten einige dieser bösartigen Nachrichten selbst, ehe er sie anschließend wieder löschte. So schrieb ein anonymer Nutzer: „Verlasse den Profifußball. Geh‘ und spiel in der Wüste oder in deinem afrikanischen Dorf. Ich hoffe, du bekommst Depressionen und bringst dich um.“ Übler geht es kaum. Die Verfasser der menschenverachtenden Kommentare sind offenbar Zocker, die auf einen höheren Eintracht-Sieg gegen Riga (1:0) tippten und Ebimbe als einen Sündenbock ausgemacht haben. Aus der Anonymität des Netzes heraus sind auch Niels Nkounkou und Kaua Santos beleidigt worden. Omar Marmoush sprang Ebimbe zur Seite: „Kopf hoch, Bruder, du bist ein großer Spieler. So etwas hat keinen Platz im Fußball. Diese Nachrichten sind inakzeptabel.“ dur
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