Gute Laune in Frankfurt

17. September 2024, 16:18 Uhr

Streckt sich im Training: Torhüter Kaua Santos von Eintracht Frankfurt. © Jan Huebner

Eintracht-Sportdirektor Timmo Hardung schwärmt noch heute von einem Angriff in Wolfsburg und lobt Ersatztorwart Kaua Santos.

Bei lauen Spätsommertemperaturen geriet der Frankfurter Sportdirektor Timmo Hardung am Dienstagmittag nahezu ins Schwärmen. Gerade war er gefragt worden, ob sich Eintracht-Ausnahmekönner Hugo Ekitiké überhaupt noch verbessern könne. Na klar, sehr viel könne man ihm noch beibringen, antwortete der 34-Jährige. In Wolfsburg etwa habe er sich nicht nur einmal in „torungefährlichen Räumen in unnötigen Dribblings verfangen“, er müsse die Balance finden zwischen „Raffinesse und Zielstrebigkeit“. Ein gutes Stichwort, das er sich selbst gegeben hat: Zielstrebigkeit.

Und schwupps spannte Timmo Hardung den Bogen zum ersten Treffer in Wolfsburg, der „an Zielstrebigkeit nicht zu überbieten“ gewesen sei. Das fing an bei Kevin Trapp, ging weiter über Niels Nkounkou, und dann Hugo Larsson mit dem Knie nach vorne, „nicht schön“, aber sehr zweckmäßig. Und schließlich nimmt Hugo Ekitiké Fahrt auf, „macht keine drei Übersteiger“, sondern gibt „Vollgas und bringt den Ball in den torgefährlichen Raum“ vor den Kasten, wo Omar Marmoush vollstreckt. Ein Angriff fast schon in Perfektion, ein Angriff, der Hardungs Herz höher schlagen lässt. „Da kann ich mich total in diese Mannschaft verlieben.“

Eine Mannschaft, die sich, wie er findet, „im Flow“ befindet. Zumindest herrscht gute Laune im Stadtwald, drei Siege aus vier Pflichtspielen haben die Stimmung sprunghaft nach oben schnellen lassen. „Wir sind sehr positiv gestimmt.“ Mit Erfolgen gegen Gladbach und anschließend bei Aufsteiger Holstein Kiel könnte sich die Eintracht früh in der Saison oben festbeißen.

Umso wichtiger war der Dreier am Mittellandkanal, den die Eintracht mit eisernem Willen über die Zeit brachte. Gemeinsam. Als Kollektiv. Jeder grätschte für den anderen. Und hinten stand ein baumlanger Modellathlet in der Kiste, der seinen Anteil geleistet hat: Ersatztorwart Kaua Santos, der den verletzten Kevin Trapp im zweiten Abschnitt vertrat, und das cool wie eine Hundeschnauze. Doch als der Schiedsrichter die Partie dann abpfiff, ging er zu Boden, hielt sich die Hände vors Gesicht und blieb erst einmal ein paar Sekunden einfach so liegen. „Da ist die ganze Anspannung von ihm abgefallen“, bemerkt Hardung. „Man muss sich ja mal vorstellen: Das war das erste Mal, dass er auf diesem Level für uns gespielt hat.“

Der 21-Jährige hat eine Weile gebraucht, ehe die Verantwortlichen ihm diesen Sprung zutrauten. Was aber in der Natur der Sache liegt. Der Keeper kam als junger Bursche quasi vom anderen Ende der Welt nach Deutschland, das ist eine große Umstellung. Sportlich wie kulturell. „Er musste auch lernen, wie man sich als Profi in Europa verhält. Das ist anders als in Rio de Janeiro“, sagt der Sportdirektor und gibt nur ein kleines Beispiel: Pünktlichkeit. In Santos’ Heimat sei eine vereinbarte „Ankunftszeit eher eine Handlungsempfehlung“, wie Hardung schmunzelnd erzählt. „Wenn man hier so kurz vor knapp reingeschlendert kommt, ist das nichts, was wir gerne sehen.“ In einer großen Gruppe mit großen Zielen gebe es nun mal Regeln, an die sich jeder halten müssen – egal, woher er kommt. Kaua Santos hat das schnell begriffen.

Die Eintracht ist von den Fähigkeiten des Torhüters vollends überzeugt, sie hat sich ja auch lange mit ihm beschäftigt. Erst spuckte „unser Algorithmus“ den Torwart in Brasilien aus, dann nahm man ihn vor Ort unter die Lupe, überzeugte sich in persönlichen Gesprächen von ihm und nahm ihn dann vor gut einem Jahr unter Vertrag. „Er hat besonderes Potenzial, deshalb haben wir ihn verpflichtet“, befindet der Sportdirektor. Santos sei „total fleißig“, fokussiert und auch mit ordentlich Selbstvertrauen ausgestattet. „Er weiß, was er kann.“ Aber er sei ein ganz liebenswerter Zeitgenosse geblieben. „Er ist sehr freundlich, ein Herzensmensch.“

Und natürlich wird er noch ein bisschen was lernen müssen. Gerade mit dem Ball am Fuß könnte dem Schlussmann womöglich der eine oder andere Fauxpas unterlaufen – nicht etwa, weil er nicht gut genug Fußball spielen kann, eher im Gegenteil.

„Jeder weiß, dass er früher Futsal gespielt hat, wir sind aber beim Fußball. Und er ist Torwart. Er muss deswegen eine gute Risikoabwägung haben.“ Das sei manchmal schon ein „schmaler Grat“, und man dürfe es in manchen Situationen nicht ausreizen. Die Frage, ob man gepflegt hinten rausspielen und vielleicht einen Konter einleiten kann oder den Ball „auch mal weghaut und in den Oberrang schießt“, müsse ein Torwart sehr schnell beantworten. „Er hat maximalen Druck, muss in einer Millisekunde entscheiden“, betont Hardung. Man darf gespannt sein, wie es dem Hünen gelingen wird.

Timmo Hardung betonte bei allem Lob für die Nummer zwei, wie sehr der Ausfall von Kapitän und Stammkraft Kevin Trapp schmerzt. Er reißt eine Lücke. „Er ist ein total wichtiger Spieler, nicht umsonst Kapitän“, sagt der Sportdirektor. „Er hat eine sehr gute Verbindung zu allen Spielern. Er fehlt als Kommunikator und Stabilisator“, findet Hardung. „Er ist ein Teil unseres Gerüsts.“

Wie lange Trapp ausfallen wird, steht nicht fest. Drei Wochen mindestens, eher länger. Timmo Hardung aber glaubt, dass der 34-Jährige bald wieder zwischen den Stangen steht. „Kevin ist ein absoluter Vollprofi.“ So lange wird es ein junger Mann aus Brasilien richten müssen.

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