Hugo Ekitiké: Erst Problemfall, jetzt Hoffnungsträger

22. April 2024, 14:14 Uhr

Knoten geplatzt: Hugo Ekitiké. © IMAGO/Nordphoto

Der oft gescholtene Eintracht-Stürmer Hugo Ekitiké macht mit seinem Premierentor gegen den FC Augsburg auf sich aufmerksam.

Es gibt diese eine Szene des jungen Burschen Hugo Ekitiké, die im Grunde sinnbildlich für seinen gesamten Auftritt im Heimspiel gegen den FC Augsburg steht – oder eigentlich sogar stellvertretend für sein gesamtes Wirken bei seinem neuen Klub, der Eintracht aus Frankfurt. Es ist die Szene, die in seinem ersten Tor für den Bundesligisten aus dem Hessischen mündet, seinem ersten Pflichtspieltreffer seit weit mehr als einem ganzen Kalenderjahr. Denn unmittelbar bevor der 21 Jahre alte Franzose den Ball mit Hilfe des Innenpfosten zum erlösenden 2:1 in die Maschen gedonnert hatte, hatte er sich gleich zweimal in der Augsburger Abwehr verheddert.

Erst versuchte er es mit einem Steckpass auf Fares Chaibi, der natürlich abgeblockt wurde. Dann, der Ball war zu ihm zurückgehoppelt, probierte er noch einen Hackentrick – natürlich ebenfalls erfolglos. Und weil alle guten Dinge drei sind, und die Kugel plötzlich wieder vor seinen Füßen lag, zog er auf, ging in gutem Tempo an den Verteidigern vorbei, verzögerte, machte noch einen Schritt – und setzte den Ball dann mit einem schönen Vollspannstoß gekonnt ins Eck. Ein Tor von hohem Niveau, das man nicht schießt, wenn man nicht weiß, wie das schöne Spiel zu funktionieren hat. Diesen Treffer hat er, wie er selbst sagte, gebraucht, dringend sogar. Es war eine Befreiung für ihn und, ganz nebenbei, eine eminent wichtige Bude im Kampf um einen europäischen Startplatz.

Wie viel Ballast abfiel von dem Stürmer, erkannte man auch an seinem Jubel, erst rutschte er mit weit aufgerissenem Mund auf den Knien zur Eckfahne, dann ballte er die Fäuste, verbeugte sich vor dem ausflippenden Publikum und klopfte mit der Hand aufs Eintracht-Wappen. Sehr viel ausgelassener und exaltierter kann man so einen Volltreffer kaum feiern. Das war irgendwie schon eine Spur drüber, andererseits hat der junge Mann aus Reims auch keine leichte Zeit hinter sich. Insofern ist die Jubelarie durchaus verständlich.

Unfaire Kritik

Die Szene in ihrer Gesamtheit aber war deshalb symptomatisch, weil sie eben auch das widerspiegelt, was Hugo Ekitiké schon alles nicht so gut hinbekommen hat in den Farben seines neuen Vereins. Denn am Freitag zeigte er lange Zeit eine Vorstellung, die schon hart an der Grenze war, kaum etwas klappte, viele Bälle landeten beim Gegner, immer wieder verhaspelte er sich; Torgefahr strahlte er schon mal gar nicht aus. Und dann diese Explosion. „Das Tor hat er wunderschön gemacht“, sagte Torwart Kevin Trapp. „Hugo ist ein super Techniker, der Dinge kann, die man so nicht trainieren kann.“

Der aus Paris Saint-Germain nach Frankfurt übergesiedelte Angreifer hat bei der Eintracht die Herzen bisher bestimmt nicht im Sturm erobert. Das liegt an seinen überschaubaren Leistungen, aber in erster Linie an seinem körperlichen Zustand. Denn der erlaubte es ihm eigentlich gar nicht, Bundesligafußball zu spielen. Die nach seinem Wechsel ermittelten Fitnesswerte waren für einen Profisportler indiskutabel. Auch Trainer Dino Toppmöller war entsprechend irritiert, beschwerte sich aber öffentlich nie, sondern ließ den vorschnell zum Sorgenkind und Problemfall abgestempelte Spieler nicht fallen, er schützte ihn, päppelte ihn auf, auch als er sich immer wieder mal kurzfristig abmelden musste. Weil mal hier was zwickte und dann dort was zwackte.

„Ich habe eine sehr spezielle Verbindung zum Trainer“, sagt Ekitiké. „Ich habe volles Vertrauen in ihn.“ Toppmöller seinerseits glaubt an die Klasse des Stürmers, er sieht etwas in ihm, völlig zu Recht. „Er hatte eine sehr schwierige Zeit, aber er hat sehr großes Potenzial“. Toppmöller freut sich vor allen Dingen darüber, dass er dieses Mal vollendet und den absoluten Willen gezeigt hat, dieses Tor zu machen. „Er hatte schon vorher gute Ansätze, aber der Punch war nicht so da.“ Das hat sich nun geändert. Spannend bleibt trotzdem die Frage, ob der Franzose wirklich ein richtiger Torjäger, ein Knipser ist. Auffällig ist, dass er oft ausweicht, sich fallen lässt, rochiert, Räume reißt, uneigennützig spielt.

Und er ist sich aber auch für Schmutzarbeit nicht zu schade, am Freitag gegen Augsburg holte er im Mittelfeld per Grätsche gleich zweimal den Ball und zündete so auch das Stadion an. Eintracht-Fans mögen es, wenn die Spieler alles raushauen und alles für ihr Team geben. Der Umkehrschluss gilt ebenso.

Die öffentliche und veröffentlichte Meinung war bei Ekitiké gleichwohl nicht immer gerecht und sachlich. Das hat, nachvollziehbar, mit seiner verbesserungswürdigen Physis zu tun, aber vor allem, und da wird es unfair, mit dem Preisschild, das ihm imaginär um den Hals baumelt. 20 Millionen Euro wird der bisher nur ausgeliehene, im Sommer aber fest zu verpflichtende Spieler die Eintracht kosten – damit ist er der Rekordtransfer, der teuerste Spieler, den der Frankfurter Klub jemals gekauft hat. Das ist Verpflichtung, aber gewiss auch eine Bürde - gerade nach seinem Stotterstart.

Winter war unglücklich

Viele fragten daher wenig freundlich: „Wie kann man für so einen so viel Geld ausgeben?“ Nicht sehr schmeichelhaft, und vielleicht auch vorschnell. Nicht wegen seines schönen Tores, sondern weil Menschen, die sich intensiv mit Fußball beschäftigen, eigentlich sehr wohl erkennen müssten, dass der Schlaks sehr viel Qualität in seinen 1,90 Meter vereint. Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass Ekitiké nicht als Soforthilfe gedacht war, sondern eher als Vorgriff auf die neue Saison zu sehen ist. Seine Rolle sollte eigentlich Sasa Kalajdzic einnehmen, der sich aber schnell einen Kreuzbandriss zuzog. In der Retrospektive ist das alles wenig glücklich gelaufen.

Ob es bei „Heki“, wie ihn sein Trainer ruft, reicht, um tatsächlich ein prägender Stürmer in der Bundesliga zu sein, lässt sich seriös zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzen. Aber mit mehr Spielen, mehr Einheiten und einer ganzen Vorbereitung in den Knochen könnte er sehr wohl zu einem entscheidenden Faktor werden – wenn der Körper mitspielt. Ob dieser höchsten Belastungen auf Dauer standhält, wird sich ebenfalls noch weisen müssen.

Der Spieler hat Blut geleckt und legt die Latte hoch. „Es fehlt noch einiges, um der Stürmer zu sein, der ich sein möchte.“ Einen Anfang hat er jetzt gemacht.