Dreieich zu ISCRM
Im Vordergrund steht Verwunderung
Hessenliga: Viele offene Fragen um den neuen "ISC Rhein-Main"
77 Kommentare finden sich unter dem entsprechenden Facebook-Post des Vereins zum Thema. Im Vordergrund steht bei den Reaktionen der Follower Verwunderung. Der amerikanisch klingende Vereinsname sei total daneben, der Bezug zu Dreieich ginge komplett verloren. Manch einer warf die Vermutung in den Raum, es handele sich um einen Zufallsnamen aus dem "Fußball Manager 2003". Und zu guter Letzt wurde das neue Konstrukt als "Retortenprodukt Nummer zwei" tituliert. Tobias Weis aus der Medienabteilung der Dreieicher ist für die Social Media-Kanäle des Vereins zuständig und ein Mann der ersten Stunde, der den SC Hessen täglich mit viel Herzblut begleitet. Er hat die unerfreulichen Kommentare registriert, glaubt aber nicht, dass es sich um regelmäßige Sportpark-Besucher handelt: "Leider warten die meisten Kommentierenden nur auf eine Meldung, über die sie sich aufregen können. Das sind leider gleichzeitig auch die Personen, die über Spenden des Vereins an die Partnervereine, Schulen und andere soziale Einrichtungen oder an 42 kostenlose Fußballcamps für rund 3000 Kinder bewusst den Vorhang des Schweigens hüllen. Der Name ist natürlich im ersten Moment ungewohnt, doch auch dort ist es wie überall - man gewöhnt sich daran."
Repräsentativer sei da schon das Statement der "Platzhirsche Dreieich", dem ersten offiziellen Fanclub des SCHD. Sie nennen den Schritt "außergewöhnlich, wenn nicht sogar einzigartig. Fußballvereine in Deutschland und weltweit haben einen lokalen Bezug. Die Realität ist auch, trotz aller Tradition, dass wir in einem kapitalistischen System leben und dieser samt Kommerz nicht vor dem Fußball halt macht. Vereine können ohne Sponsoren und Unterstützer in dieser Landschaft nicht überleben. Man wird sehen, wie dieser kontroverse Name aufgenommen wird und vor allem, was dies für die sportliche Entwicklung und das Wachstum der Fanszene bedeutet."
Radikaler Kurswechsel sieben Jahre nach Gründung des SCHD
Der radikale Kurswechsel kommt insofern überraschend, als es erst sieben Jahre her ist, dass der SC Hessen Dreieich aus der Taufe gehoben wurde. Das Gründungsdatum war der 20. Juni 2013. Zwei Wochen zuvor war mit der SKG Sprendlingen der bedeutendste Vorgängerverein über die Relegationsrunde aus der Gruppenliga Frankfurt Ost in die Verbandsliga Süd aufgestiegen. Das Spielrecht wurde auch seinerzeit auf den neugegründeten Verein übertragen. Als assoziierte Mitglieder traten noch sechs andere Amateurvereine aus den Stadtteilen der Kommune im Landkreis Offenbach bei: FV 1906 Sprendlingen, SG Götzenhain, SV Dreieichenhain, TV Dreieichenhain, FC Offenthal und SuSGo Offenthal gelten bis heute als Partnervereine des SC Hessen. Gespielt wurde anfangs noch auf dem alten SKG-Sportgelände an der Maybachstraße, ehe der als Mäzen auftretende Eigner der Fluggesellschaft "Hahn Air Lines" Hans Nolte mit der Gründung der "Dreieich Sportstätten Betriebs & Marketing GmbH" einen einstelligen Millionenbetrag in den Bau des Sportparks am Bürgeracker investierte.
Nach dem Aufstieg in die Hessenliga 2015 unter der Regie von Trainer Thomas Epp prägten in den Folgejahren ehemalige Größen von Eintracht Frankfurt wie der Bundesliga-Rekordspieler Karl-Heinz Körbel als Vizepräsident sowie Rudi Bommer und Ralf Weber als Trainerteam die erfolgreiche sportliche Entwicklung bei den "Hessen". 2017 und 2018 wurde der SCHD jeweils Meister der Hessenliga und verzichtete im ersten Anlauf auf den Aufstieg in die Regionalliga Südwest, den der Verein ein Jahr später dann wahr nahm.
Anträge liegen beim HFV vor
In der 4. Liga konnte sich der Sportclub trotz einer ansprechenden Hinserie und der Verpflichtung von Ex-Profis wie Kevin Pezzoni und Constantin Djakpa aufgrund einer langanhaltenden Erfolglosigkeit nach der Winterpause nicht halten und stieg direkt wieder ab. Einhergehend mit der sportlichen Misere endete die Ära Bommer/Weber/Körbel mit Rücktritten noch vor dem Saisonende. Nach der Rückkehr in die Hessenliga übernahm mit Lars Schmidt ein weiterer Ex-Profi das Zepter, allerdings ohne Eintracht-Bezug. Er verbrachte seine aktive Karriere überwiegend beim Karlsruher SC, dem FSV Mainz 05 und Kickers Offenbach.
Ihm gelang es mit seinem Co-Trainer Sven Kunisch aus einem bunt zusammengewürfelten Kader die Puzzleteile richtig einzusortieren und die Mannschaft bis zum Beginn der Corona-Spielpause auf Rang sieben zu konsolidieren. Bevor alles zum Stillstand kam, gab es jedoch das ernüchternde 0:4 in Kassel, nachdem der Coach anmerkte: "Wir befinden uns im Niemandsland der Tabelle und dann fehlen in den entscheidenden Situationen ein paar Prozentpunkte." In die Kursänderung Richtung ISC Rhein-Main war der Coach durchaus involviert: "Ich wusste über jeden Schritt Bescheid."
Künftig wird auch vormittags trainiert
Die Anträge liegen beim HFV vor, der diese im Zuge der Corona-Krise hintenangestellt hat. Ob Schmidt im neuen Projekt als Chefcoach fungieren soll, hängt wie derzeit alles noch in der Schwebe. Offen bleibt auch die Frage, wie viele Fußballer des aktuellen Kaders übernommen werden und aus welchen Ländern die internationalen Spieler kommen sollen, denen der ISC als Sprungbrett dienen soll. Die geplante Umstellung auf Vormittagstraining lässt den Schluss zu, dass mithilfe der geplanten Akademie auf Profitum umgestellt werden soll. Schmidt könnte sich ein weiteres Engagement vorstellen: "Da ich selbständig bin, könnte ich das mit meinen beruflichen Terminen vereinbaren. Die Frage ist, wie hoch der Aufwand sein wird."
Das von Mäzen Nolte angeschobene Projekt klingt ambitioniert, das Ziel des ISC Rhein-Main lautet dauerhaft Regionalliga-Fußball als Mieter im Sportpark, dem die DSBM "eine hervorragende Trainings- und Spielstätte bieten kann", wie dessen Geschäftsführer Sascha Schnobrich sagt. Als designiertes Vorstandsmitglied federführend gilt Patrick Ochs. Der 35-jährige Ex-Profi (Eintracht Frankfurt, VfL Wolfsburg, TSG Hoffenheim) nennt in seinem Schlusssatz die zukünftige Ausrichtung: "Vor dem Hintergrund, dass immer mehr talentierte Spieler aus dem Ausland ihr Glück im bezahlten deutschen Fußball suchen, tragen wir der Entwicklung konsequent strukturell Rechnung."
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