Zweikampf der Woche
Ist die Rückkehr der Zeitstrafe auf Kreisebene richtig?
Ist die Rückkehr der Zeitstrafe richtig? Johannes Götze (links) sagt ja, Tino Weingarten nein. Foto: Torgranate
1991 abgeschafft feiert die Zeitstrafe 30 Jahre später ihre Renaissance. Als Pilotprojekt kommt die Zehn-Minuten-Strafe auf Kreisebene einzig in Hessen zum Einsatz. Sie wird künftig die Gelb-Rote Karte ersetzen. Leistet sich ein Spieler, nachdem er eine Zeitstrafe abgesessen hat, erneut ein verwarnungswürdiges Vergehen, bekommt er vom Schiedsrichter die Rote Karte gezeigt.
Johannes Götze - Den Schiedsrichtern wird's gefallen
Erinnere ich mich an die Zeit als aktiver Schiedsrichter, finde ich sofort Gefallen an der Verhängung einer Zeitstrafe. Die Frage, ob ich den gelbvorbelasteten Spieler „jetzt noch mal leben lasse“ stellt sich ein Schiedsrichter wahrscheinlich einmal pro Spiel. Und gerade in unteren Spielklassen sorgt das nicht zuletzt für Diskussionen, wenn ein früher Feldverweis folgt. Und ohne Assistenten in einer mehr und mehr rauerem Ton befindlichen Gesellschaft, lässt der Schiedsrichter tendenziell zu oft den „Spieler leben“. Mit der Zehn-Minuten-Strafe gibt er sich nun selbst mehr Sicherheit und kann diese Frage einfacher beantworten. Und sollte es der Spieler selbst nach der zwangsverordneten zehnminütigen Cool-Down-Phase nicht kapiert haben, muss er mit Rot und einer Sperre rechnen. Ergo: Er wird sich dreimal überlegen, wie er als vorbelasteter Spieler auf das Feld zurückkehrt. Und dann ist er , falls es schiefgeht, bei Team und Trainer der Blöde – und sicherlich nicht der Schiri.
Endlich ist durch die Einführung der Zeitstrafe zudem eine Systemlücke geschlossen worden: Dass in der Gruppenliga ein Spieler bei einer Gelb-Roten Karte unbehelligt einer Ein-Spiel-Sperre davonkam, nutzten viele Akteure für ein wichtiges taktisches Foul, Zeitspiel und ähnliche Unsportlichkeiten in der Schlussphase der Spiele. Dem wurde nun Einhalt geboten. Wie in der Hessenliga und Verbandsliga nun seit ein paar Jahren Usus, folgt eine Sperre – und wird bei den Spielern für ein Umdenken sorgen. Das Ballwegschlagen überlegt er sich nun zweimal.
Tino Weingarten - Bewährtes nicht über Bord werfen
Seit dem 1. Juli ist sie also da, die Zeitstrafe. Zumindest auf Kreisebene. Und damit auch für mich präsent. Nicht nur, weil ich bei der künftigen Berichterstattung darauf achten muss, nicht gleich einen Spieler beim zweiten verwarnungswürdigen Foul vom Feld zu schreiben, sondern auch als aktiver Spieler. Das war das letzte Mal vermutlich in der Jugend der Fall, erinnern kann ich mich daran nicht mehr. Gerade im frühen Juniorenbereich macht die Zeitstrafe durchaus Sinn. Hier hat sie noch einen pädagogischen Nutzen. „So geht das nicht. Beruhig‘ dich draußen ein paar Minuten, dann darfst du wieder mitspielen.“ So müssen Kinder bei ihrem liebsten Hobby nicht gleich ausgeschlossen werden, sollten sie mal über die Stränge schlagen.
Aber im Seniorenbereich? HFV-Präsident Stefan Reuß sagte, er erhofft sich durch die Zeitstrafe, deeskalierend auf den Spieler zu wirken. Ist in einem Fußballspiel allerdings der Zeitpunkt gekommen, dass etwas eskaliert, gehört der Spieler ohnehin nicht mehr auf das Feld. Und hier greift eben das System der Karten. Ob die Zeitstrafe auf Spieler dieser Kategorie so wirkt, dass diese sich ruhig nach draußen setzen und über ihr Verhalten nachdenken? Für alle anderen Spieler, die ihre Emotionen im Griff haben, gilt: Wir wissen doch, was erlaubt ist und was nicht und wie es bestraft wird. Das ist eben der Reiz an einem Fußballspiel. Selbst ein vermeintlich entschiedenes Spiel kann kippen, weil eine Mannschaft 30 Minuten in Überzahl spielt. Und das sollte auch auf Kreisebene erhalten bleiben.
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