Keine Grenzen für den „neuen“ Himmelsstürmer Omar Marmoush
Der „Kicker“ hat sich in seiner jüngsten Ausgabe gebührend intensiv mit dem Höhenflug der Frankfurter Eintracht beschäftigt. Oder, präziser ausgedrückt: mit dem Höhenflieger, der den Höhenflug entscheidend initiiert hat, Omar Marmoush. Das Fachmagazin hievte den Himmelsstürmer samt Halloween-Maske sogar auf die Titelseite und begab sich im bunten Tiefdruck auf eine mehrseitige „Spurensuche“. Nett aufgemacht, schön erzählt und eine fällige Würdigung, die der ägyptische Nationalspieler mehr als verdient hat.
Interessant in den Zeilen zu erspüren, wie sich Omar Marmoush im Laufe der Jahre zwar eigentlich nicht verändert hat, er schon damals von allen Weggefährten als junger Mann mit hoher Sozialkompetenz, Empathie und Lebensfreude beschrieben wurde, als einer, der für jede Mannschaft eine Bereicherung sein kann. Sportlich, aber auch menschlich. Aber er andererseits doch eine persönliche Entwicklung durchlaufen hat. Der Ausnahmekönner scheint heute erwachsener, charakterlich fester, quasi aus sich selbst herausgewachsen. Das gilt für seine Performance auf dem Fußballfeld, auf dem er, klar, offensiv ein Feuerwerk nach dem anderen zündet, aber inzwischen auch diszipliniert nach hinten schuftet. Was er früher eher ungern tat. Niko Kovac, einer seiner Trainer in Wolfsburg, wechselte ihn einmal ein und wieder aus, weil ihm die Defensivarbeit missfiel.
Auch in puncto Einstellung und seiner Reflexion zum Spiel hat Marmoush eine Metamorphose durchlebt. Der Saarbrücker Trainer Rüdiger Ziehl, der ihn damals bei der zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg unter seinen Fittichen hatte, erinnert sich via „Kicker“ an einen Spieler, der „seine individuelle Leistung über den Mannschaftsgedanken gestellt“ habe. Hat er im Training mit seinem Team 4:5 verloren, aber alle Tore geschossen, war er glücklich. Aber Ziehl erinnert sich auch an einen 4:3-Sieg in Havelse, als Marmoush eine brettstarke Leistung zeigte, aber kein Tor machte. Der Stürmer war tief frustriert, „total enttäuscht“.
Nur noch Superlative
Das klingt nicht nach dem Omar Marmoush, der die Menschen in Frankfurt begeistert. Der sich aufopfert fürs Team, ihm mit seinen famosen Leistungen hilft, aber als absoluter Teamplayer gilt, anerkannt und beliebt ist, selbstlos. Marmoush, das ist der Hauptgrund für seine Leistungsexplosion, hat in Frankfurt ein Umfeld gefunden, in dem er sich fallen lassen kann, das ihm vertraut; das ihm vertrauen musste – durch den Weggang von Randal Kolo Muani im Sommer 2023. Seitdem blüht Marmoush auf, wächst, das Selbstvertrauen ist gefüllt bis zum Anschlag, ja, es scheint, wie die FR unlängst schrieb, als könne er auch über Wasser laufen.
Das war auf seinen vorherigen Stationen anders, da erkannte zwar jeder das enorme Potenzial des Angreifers, aber niemand steckte seinen Glauben bedingungslos in den Akteur, der, wie oft bei jungen, frechen, kreativen und verspielten Fußballern, auch Leistungsschwankungen unterlag. In Wolfsburg wurde ihm keine Wertschätzung entgegengebracht, stets musste er gegen Zweifel und Vorbehalte ankämpfen, zweimal wurde er verliehen. Auch deshalb fiel sein Jubel nach seinem Doppelpack Anfang dieser Saison beim 2:1-Sieg am Mittellandkanal leicht provokant aus.
Heute stellt er Bestmarken in Endlosschleife auf, ein Superlativ jagt den nächsten. Im „Kicker“ avancierte er schon dreimal zum „Spieler des Tages“, stand nach sechs Partien sechsmal in der „Elf des Tages“. Er hat, gemeinsam mit Harry Kane, die meisten Tore geschossen (elf) und die meisten aufgelegt (acht), auch international rangiert er mit 14 Treffern aus 16 Pflichtpartien direkt hinter dem Top-Trio Robert Lewandowski, Harry Kane und Erling Haaland. In allen relevanten Werten hat sich Marmoush signifikant verbessert. Er braucht nur 3,7 Torschüsse pro Treffer (vergangene Saison 6,6) und ist so effizient wie nie: Alle 84 Minuten war er an einem Treffer beteiligt, in Wolfsburg waren es alle 273 Minuten.
Und: Auch durch ihn ist die Eintracht plötzlich das gefährlichste Team nach Standards – die große Schwachstelle in der Vorsaison. Jetzt haben die Frankfurter bereits sieben Treffer nach ruhenden Bällen erzielt, mehr als in der gesamten vorherigen Spielzeit. Zwei Strafstöße, zwei Freistöße, drei Eckbälle – allesamt getreten von Omar Marmoush. Der Ägypter ist zudem einer von zwei Bundesligaprofis, die in drei aufeinanderfolgenden Spielen je einen Freistoß verwandelt haben. Vor ihm gelang dieses Kunststück nur Christian Fuchs vom VfL Bochum in der Saison 2009/10, der letzte mit einer solchen Serie ist Lionel Messi, 2019. Und Marmoush kann Geschichte schreiben, sollte er am kommenden Samstag gegen Werder Bremen erneut per Freistoß einnetzen – doch das scheint irgendwie unvorstellbar. Wobei: Gibt es derzeit Grenzen für den Shootingstar Omar Marmoush?
60 Millionen dürfen es sein
Der pfeilschnelle Spieler, ein Draufgänger und Wildfang, wird diese Saison in Frankfurt zu Ende spielen. Das stellte Sportvorstand Markus Krösche bereits klar. Und es gibt auch keine Bestrebung seitens des Profis, den Verein, der seiner Karriere einen neuen raketenhaften Antrieb verlieh, vorzeitig zu verlassen. Im Sommer freilich ist das etwas anderes. Die Eintracht wird den Spieler nicht halten können, das wäre wider jede wirtschaftliche Vernunft. Das weiß jeder im inneren und äußeren Zirkel. Aber Marmoush wird teuer, der Preis steigt mit jedem Tor, mit jeder grandiosen Vorstellung. Er ist die heißeste Nummer der Bundesliga.
60 Millionen wird der aufnehmende Klub mindestens als Sockel zahlen müssen – eher mehr. Und wer der Topfavorit ist, ist ebenfalls klar: Der FC Liverpool würde ihn gerne holen und aufbauen als Nachfolger des ägyptischen Volkshelden Mo Salah. Und auch für Marmoush wären die Reds ein lohnendes Ziel, gerade als legitimer Erbe seines großen Idols. Doch bis dahin vergeht noch ein bisschen Zeit, und bis dahin wird sich der „neue“ Omar Marmoush für seinen aktuellen Klub zerreißen, mit allem, was in ihm steckt. Das ist, man weiß es jetzt, eine ganze Menge.
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