Marius Wolf: Sexy allein reicht nicht
Marius Wolf ist 29 Jahre alt, vor ihm liegen bestimmt noch drei, vier Jahre Fußball auf gehobenem Niveau. Derzeit spielt er beim FC Augsburg, Gegner der Eintracht am Samstag (15.30 Uhr/Sky) im Stadtwald, doch die große Frage ist: Was will, was kann Marius Wolf, der stark tätowierte Mann mit Zopf aus Coburg in Oberfranken, noch erreichen in seiner Karriere? Er hat, man glaubt es kaum, praktisch bereits alles erlebt, was man als Berufsfußballer seiner Qualität erleben kann, vermutlich gar weit mehr als gedacht, inklusive aller Tiefen.
Marius Wolf also, Rechtsaußen, Sneakersammler, versierter Zocker am Spieltisch (gerne bis frühmorgens mit Mats Hummels), Buddy von Kevin Prince Boateng und Neymar, hat den DFB-Pokal gewonnen (mit Eintracht Frankfurt) und den Supercup (mit Borussia Dortmund), er hat Champions League-Titel und Meisterschaft vergeigt (mit Borussia Dortmund) und wundersam die Klasse auf den letzten Drücker gehalten (mit dem 1. FC Köln und Friedhelm Funkel), er hat Hertha schadlos überstanden, er ist Nationalspieler geworden (fünf Einsätze) und hat in der Regionalliga Nord gekickt, bei Hannover 96 II und war nahe daran, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen, mit 21 Jahren.
Er hat 187 Bundesligaspiele auf dem Buckel. 19 Champions League Spiele, der Fußball hat ihn reich gemacht, zudem ist er einer der Protagonisten, die Autor Ronald Reng für sein Buch („Der große Traum - drei Jungs wollen in die Bundesliga“) über zehn Jahre bekleidet hat - und er hat überlebt: Im November 2022 hatte sich Wolf einer Operation am Herzen unterziehen müssen, Vorhofflimmern, sein Herz „hat plötzlich wie verrückt geschlagen“, wie er sagt. Teilgewebe im Herzen mussten verödet werden, längst ist alles verheilt, Leistungssport ist wieder gefahrlos möglich. Ohnehin hat er nur ein paar Wochen aussetzen müssen, lange hatte die Öffentlichkeit davon keine Kenntnis, wegen „Gleichgewichtsproblemen“, so hieß es damals beim BVB, habe er aussetzen müssen.
Man sieht: Der flinke Außenstürmer hat einiges in seinem Leben gemeistert, ihn wirft so schnell nichts mehr um, sogar dass er Borussia Dortmund in diesem Sommer nach vier Jahren verlassen musste, hat er weggesteckt. Es sei sein „Kindheitstraum gewesen, für den BVB zu spielen“, hat er gesagt, 89-mal durfte er das tun. Er habe ohnehin „was Neues im Kopf gehabt“.
Auch Jakic räumt auf
Nun also der FC Augsburg: Es ist seine achte Station, in der Beletage hat er für fünf Klubs gespielt, in Augsburg ist er wieder absoluter Stammspieler, alle zwölf Partien hat er bisher absolviert, ein Tor geschossen. Auch beim dramatischen Weiterkommen im Pokal am Mittwoch in Karlsruhe stand er beinahe 100 Minuten auf dem Platz, das Elfmeterschießen hat er anderen überlassen.
In Augsburg fühlt er sich wohl, er ist weniger im Fokus, die Mannschaft fände immer besser zusammen. Mittlerweile sei das Team gefestigt, auch die Gegentorflut der ersten Spiele (18 Treffer in sieben Partien) habe man eindämmen können, in den letzten fünf Spielen musste der aktuell Tabellen-13. (15 Zähler) nur fünf Gegentore schlucken. Der FCA - dort räumt regelmäßig auch Kristijan Jakic, einer der Frankfurter Europacup-Helden von Sevilla auf - ist längst zu seinem Stil zurückgekehrt, zu einer nickligen, unangenehmen Art des Fußballspielens, gerne überlassen die Jungs von Trainer Jess Thorup dem Gegner die kreative Mühsal. „Sexy allein reicht nicht, man muss auch eklig sein“, hat Marius Wolf erkannt, worauf es in seiner neuen Heimat in den nächsten drei Jahren ankommt: Herzblut, Kampf, Leidenschaft. Die bayrischen Schwaben hätten ihm von Anfang an klar zu verstehen gegeben, dass „ich wichtig für sie bin“. Dabei wäre er auch ins Ausland gegangen, „dafür war ich offen“, einerlei ob Spanien, Italien oder England, allein nach Saudi-Arabien, die Interesse bekundet hatten, wollte er nicht.
Die Rückkehr nach Frankfurt ist für den 1,88 Meter Schlaks vermutlich immer noch etwas Besonderes, denn hier bei der Eintracht ging 2017 der Stern des in Hannover ins Abseits gestellten Flügelspielers auf, bei der Eintracht machte er in eineinhalb Jahren 31 Spiele, schoss fünf Tore, wurde Pokalsieger und wechselte für fünf Millionen Euro zum BVB, wo er einen bestens datierten Fünfjahresvertrag erhielt. Dabei stand Wolf beinahe schon beim VfL Bochum im Wort, doch der damalige Manager Bruno Hübner überredete ihn, nach Frankfurt zu kommen. Nicht die schlechteste Wahl.