Nenad Bjelica: Herzlich, aber hart

29. März 2024, 10:46 Uhr

War eher nicht so clever: Union-Trainer Nenad Bjelica teilt gegen Bayern-Angreifer Leroy Sané aus. Muss nicht sein. © IMAGO/Sven Simon

Trainer Nenad Bjelica führt Union Berlin zurück in ihre nicklige Trutzburg.

Man könnte meinen, Nenad Bjelica liebe es, in der Küche zu stehen. Zu einer schmackhaften Suppe, hat er mal gesagt, gehöre mehr als eine Zutat, „aber zu viele Zutaten sind nicht gut.“ Da weiß einer Bescheid. Mitnichten. Nenad Bjelica, Nachfolger des legendären Urs Fischer als Trainer bei Union Berlin, kann eigener Aussage zufolge bestenfalls Kaffee kochen. Und natürlich liegt die Kernkompetenz des vor 52 Jahren in Osijek geborenen Coaches auf der Arbeit am Ball und nicht am Herd. Was er andeuten wollte: Zu viel Analyse, zu viel Fachchinesisch, zu viele Details sind ihm ein Gräuel, verwirrten Fußballer nur, klar, deutlich, unmissverständlich sind deshalb seine Aussagen, fern allen Schnörkeln und Schleifchen. Er ist ein Coach alter Schule, kein Laptop-Trainer. Sein Credo: Disziplin, Ordnung, Strenge - und zuweilen eine Prise Herzlichkeit. „Manchmal“, sagt Mittelfeldspieler Rani Khedira, nehme der Kroate, der nicht zu Unrecht im Ruf steht, ein harter Hund zu sein, „Spieler auch mal in den Arm“.

Immerhin hat es der in der Liga weitgehend als unbeschriebenes Blatt bekannte Coach geschafft, Union Berlin aus dem Abstiegsschlamassel gezogen zu haben. Und es sah ja richtig böse aus, als der Mann, der mehr als 600 Spiele als Trainer bei Admira Wacker oder Dinamo Zagreb auf dem Buckel hat, im November nach Köpenick kam: Seit 16 Pflichtspielen hatte Union nicht mehr gewonnen, davon allein zehn Spiele in der Bundesliga am Stück verloren, Platz 17. Desolat waren die Berliner über den Rasen gestiefelt, sie hatten komplett ihren Kompass verloren, zutiefst verunsichert, Gräben waren aufgebrochen, die Hierarchie, auch durch in der Unterhaltung teurer Neuzugänge (etwa Bonucci, Volland, Gosens, Vogt, Diogo Leite, Fofana, Tousart, Vertessen), die nicht gepasst, aber das Gehaltsgefüge gesprengt hatten, war dahin. Eine Gemengelage, an der selbst der Architekt des kleinen Köpenicker Wunders, Urs Fischer, gekrönt mit dem Erreichen der Champions League im letzten Jahr, kapitulieren musste.

Nenad Bjelica, den einst Weltstar Andres Iniesta als sein Idol nannte, ist ein ziemlicher Gegenentwurf zum Schweizer. Niemals hätte sich Fischer zu dieser Tätlichkeit im Januar hinreißen lassen, als Bjelica den Bayern-Stürmer Leroy Sané am Spielfeldrand zweimal ins Gesicht gegriffen hatte und nur haarscharf am Rausschmiss vorbeigeschrammt war. Das werde ihm nicht mehr passieren, versicherte er, dem auch zu denken geben sollte, dass Union Berlin bereits sechs Platzverweise erteilt bekommen hat.

Im Sturm hapert es

Unter dem bärbeißigen Coach, der das Kaugummikauen im Training untersagt, hat Union die Kurve bekommen. Als er kam, standen sieben Zähler auf der Habenseite, jetzt sind es 28, neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Bjelica hat in erster Linie die „mentale Bremse“ gelöst, wie Lucas Tousart unlängst sagte, „jeder ordnet sich wieder mehr unter und macht das, was besprochen wurde“, ergänzte Khedira. Das war vorher offenbar nicht der Fall, bemerkenswert.

Dessen ungeachtet liegen die Stärken der einstmals so nicklig minimalistischen Zweckfußball spielenden Berliner nicht auf fremden Plätzen. Union hat auswärts gerade acht Punkte in 13 Spielen geholt, dabei neunmal verloren - mehr als jedes andere Team in der Liga, und nur neun Tore erzielt. Das Manko liegt in der Verwertung der Chancen, und dass ein Linksverteidiger wie Robin Gosens mit sechs Treffern bester Schütze ist, sagt eine Menge. Nur Köln (20) und Mainz (22) haben weniger Tore als Union Berlin (25) erzielt.