Stabilitätspakt für die Künstler
Harter Zweikämpfer: Arthur Theate (re.), hier im Duell mit Wolfsburgs Ridle Baku. © IMAGO/Jan Huebner
Nach dem zweiten Saisonsieg der noch jungen Spielzeit ist der Frankfurter Sportvorstand Markus Krösche gefragt worden, ob er in etwa einordnen könne, wo die Eintracht aktuell stehe, inwieweit sie ihr Leistungspotenzial schon ausschöpfe. Der am Dienstag 44 Jahre alt werdende Manager führte nur kurz aus, wie wichtig der 2:1-Erfolg in Wolfsburg gewesen und dass die Mannschaft nun angehalten sei, die drei Punkte im Heimspiel am Samstag (18.30 Uhr) gegen Borussia Mönchengladbach zu veredeln. Denn sonst bringe ein Sieg in der Fremde nicht so besonders viel. Und überhaupt: „Nach drei Spielen eine Standortbestimmung zu machen, ergibt wenig Sinn.“
Da hat der Sportchef zweifellos recht. Und doch kann man nach drei Siegen aus vier Pflichtspielen und einer unglücklichen Niederlage in Dortmund konstatieren, dass das Team auf einem ganz guten Weg scheint. Bei aller Vorsicht. Markus Krösche ist es gelungen, den Kader, wie von ihm angekündigt, weitgehend zusammenzuhalten, große Umwälzungen sollten vermieden werden, und sie sind vermieden worden. Nur ein Stammspieler hat den Klub verlassen, Willian Pacho, ein Innenverteidiger, der für satte 45 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain wechselte. Ein lukratives Geschäft.
Selbst Omar Marmoush, mit dessen Abgang bis zum letzten Tag der Transferperiode spekuliert wurde, blieb an Bord. Das lag an den ausbleibenden verlockenden Angeboten – für den Spieler wie für die Eintracht. Es lag aber auch daran, dass sich der 25-Jährige durchaus wohlfühlt und wertgeschätzt wird. Anders als in Wolfsburg, wo er vorher spielte.
Wie wichtig der Verbleib von Marmoush ist, zeigte er alleine in den vergangenen beiden Spielen, da machte er drei Tore selbst, bereitete eines direkt vor und leitete ein weiteres ein. Durch sein Tempo und seine Unberechenbarkeit ist er schwer zu verteidigen. „Omar ist wichtig fürs Team, er hat eine unheimliche Energie“, lobt Sportboss Krösche.
An allen Toren beteiligt
In Verbindung mit Sturmpartner Hugo Ekitiké ist das Doppel kaum zu stoppen, zählt sicher zu den gefährlichsten Sturmduos der Liga. Auch der fintenreichen und schnelle Ekitiké hat bereits drei Pflichtspieltore und drei Vorlagen auf dem Konto. An allen neun erzielten Eintracht-Toren war einer der beiden (oder beide) direkt beteiligt. Das ist eine klare Ansage.
Diese ungezügelte Offensivpower ist ein Pfund, mit dem die Frankfurter trefflich wuchern können. Im Vergleich zur Rückrunde der letzten Saison klappt das Zusammenspiel der beiden auch sehr viel besser, sie suchen sich – und haben sich gefunden.
Markus Krösche ist es außerdem gelungen, wichtige Baustellen im Kader zu schließen. Und da geht es nicht mal um die Position im defensiven Mittelfeld, die auf den letzten Drücker mit einem anderen Spielertyp (Mo Dahoud) besetzt wurde als eigentlich geplant (Pascal Groß). Nein, es geht um Spieler, die dem gesamten Team Halt geben, es insgesamt auf ein anderes Niveau heben. Akteure wie Rechtsverteidiger Rasmus Kristensen, der sicher kein Flankengott und kein brillanter Techniker ist, der aber durch seine Präsenz und seine Ausstrahlung wichtig ist, der sich nichts gefallen lässt und stets wehrhaft bleibt, der in der einen Szenen hinten klärt und danach schon wieder vorne ist, der auch mal einen Mitspieler zurechtweist, wenn es denn sein muss. Das ist so ein Spieler, der gefehlt hat. Im Vergleich zu Vorgänger Aurelio Buta sind das Welten.
Und dann ist da noch die Verpflichtung von Arthur Theate, die man fast schon als Riesen-Transfercoup bezeichnen muss. Der 24 Jahre alte Verteidiger, der von Stade Rennes zunächst bis zum Ende der Saison ausgeliehen ist und anschließend für rund 12,5 Millionen gekauft wird, ist ein absoluter Volltreffer. Der belgische Nationalspieler verteidigt mit einer Bierruhe, ist ein „Zweikampfmonster“, gut im Spielaufbau, ein Typ, der vorangeht, der „uns in Sachen Mentalität und Leadership guttut“, wie Trainer Dino Toppmöller sagte. Theate ist im Vergleich zu Willian Pacho noch mal eine andere Kategorie, und der Ecuadorianer war schon gut.
Theate ein Volltreffer
Der Abwehrmann kann flexibel eingesetzt werden, linker Verteidiger oder linker Innenverteidiger – ist ihm ziemlich egal. In Wolfsburg am Samstag bekleidete er beide Positionen. Und: Durch diese Zufuhr an Robustheit und Mentalität werden auch die anderen Spieler besser. Den Brasilianer Tuta hat man selten so fehlerfrei und abgeklärt spielen sehen, Robin Koch rundet das Gesamtbild ab. Aber auch ein defensiver Mittelfeldspieler wie Ellyes Skhiri scheint sich in dieser Konstellation besser zurecht zu finden.
Die Folge, leicht abzulesen: In allen drei Bundesligaspielen stand die Eintracht hinten relativ sicher, musste kaum Chancen für den Gegner zulassen. Torwart Kevin Trapp in zweieinhalb Partien und Vertreter Kaua Santos in 45 Minuten blieben bis auf Flanken oder Schüssen aus der Distanz meistens beschäftigungslos – vier Gegentore hat die Eintracht dennoch schon geschluckt, wobei eines nach einem Konter gegen eine entblößte Abwehr fiel und zwei nach schönen Einzelleistungen. Passiert.
Das alles muss zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison nichts heißen, aber es lässt sich ganz gut an für Eintracht Frankfurt, das Gebilde scheint sehr viel fester und massiver als vor einem Jahr. „Die Stabilität“, sagt Dino Toppmöller, „ist sehr gut.“ Sie ist der Boden, auf dem sich die Künstler austoben können.