Johannes Litwinow

Steinauer ist Athletiktrainer bei RB Leipzig

Johannes Litwinow kümmert sich um Anja Mittag und Co.

24. Juni 2020, 09:08 Uhr

Johannes Litwinow heute: Hier führt der Steinauer einen Latktattest bei einer Spielerin von RB

Einst ging Johannes Litwinow für die SG Steinau auf Torejagd, ehe er der Region Osthessen den Rücken kehrte – aus beruflichen Gründen: Inzwischen ist der 30-Jährige unter anderem als Athletiktrainer bei RB Leipzig aktiv.

Der Sport spielte bei Johannes Litwinow schon immer eine große Rolle. In der damaligen UdSSR geboren, kam er mit seinen Eltern 1993 nach Deutschland. Nach einigen Zwischenstationen landete die Familie in einer Aufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler in Dietershan und wurde anschließend in Steinau sesshaft. Die Integration und das Erlernen der Sprache gelang unter anderem durch das Fußballspielen schnell, so dass „Wanja“, wie ihn Familie und Freunde aufgrund seines russischen Geburtsnamens nennen, später am Domgymnasium sein Abitur ablegte.

Nach der Schule ging er mit einem seiner besten Kumpels, dem heutigen Steinau/Steinhaus-Trainer Dominic Günther, nach Jena und machte dort seinen Bachelor in Sportwissenschaften. Für sein weiterführendes Masterstudium zog es Litwinow nach Leipzig. Gerade Auslandsaufenthalte in Südamerika, wo er unter anderem bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 als Volunteer arbeitete, und in Malmö, wo er am bekanntesten Olympiastützpunkt Schwedens Erfahrungen sammeln durfte, prägten den 30-Jährigen. Inzwischen arbeitet Litwinow als Hauptlehrkraft und Koordinator im Internationalen Trainerkurs (ITK) an der Sportwissenschaftlichen Fakultät in Leipzig, wo er zwei Weiterbildungskurse für internationale Sportlehrer und Trainer leitet, die vom Auswärtigen Amt finanziert werden.

Beförderung bei RB im Sommer 2019

Nebenbei war Litwinow zunächst als Jugendfußballtrainer aktiv, ehe 2018 ein Anruf von RB Leipzig kam. „Der weibliche Nachwuchs hat nach einem Fußballtrainer gesucht, ich hatte aber gerade entschieden, mich als Athletiktrainer zu spezialisieren. Ich sagte, dass sie sich melden können, wenn sie diesbezüglich einen Job hätten“, erzählt er. Eine Woche später kam der erneute Anruf. Litwinow heuerte zunächst bei der U17 als Athletiktrainer an, der Aufstieg und die damit verbundene Beförderung in die erste Frauenmannschaft folgten im Sommer vorigen Jahres.

„Meine Aufgaben umfassen viele verschiedene Themen. Einerseits koordiniere ich die konditionelle Ausbildung, indem ich unter anderem in der Off-Season individuelle Trainingspläne verteile und die Spielerinnen mit Sensoren kontrolliere. Ein weiteres Feld ist die Verletzungsprävention. Intensive wiederholende Sprints und Richtungswechsel können gewisse Verletzungen nach sich ziehen. Um dies weitestgehend zu verhindern, integriere ich vermehrt das neurozentrierte Training, das bei vielen Spielerinnen neue Reize setzt und immer mehr auf Interesse stößt. Das dritte Thema umfasst die Leistungsdiagnostik, welche wir momentan mit den Messgeräten des männlichen Leistungszentrums durchführen. Für die Bereitstellung sind wir sehr dankbar“, beschreibt der 30-Jährige sein vielschichtiges Aufgabenfeld.

Mit dem Thema Frauen- beziehungsweise Mädchenfußball kam Litwinow erstmals durch RB in Kontakt. „Frauen verletzen sich anders als Männer. Gerade das Kniegelenk ist bei Frauen häufiger betroffen“, erzählt Litwinow, der die Zusammenarbeit mit den Spielerinnen hervorhebt: „Frauen wollen mehr wissen, sie interessieren sich dafür, warum ich diese Übung jetzt mache. Das ist gut: Wenn die Spielerin begreift, warum sie diese Aufgabe eigentlich durchführt, steigert das die Übungsqualität. Es ist schon faszinierend, wie motiviert sie sind, da alle ja noch berufstätig sind, studieren oder zur Schule gehen.“

Zusammenarbeit mit einer Spielerin, die alles gewonnen hat

Die Frauenabteilung des jungen Vereins wurde erst 2016 ins Leben gerufen, in der abgebrochenen Saison 2019/ 2020 spielte die erste Mannschaft in der Regionalliga. Dort wurde sie Meister, geht nächste Spielzeit also erstmals in der Zweiten Liga an den Start. „Wir wollen langsam und organisch wachsen, zudem weiter mit unserem jungen Team arbeiten und es an die nächsten Aufgaben heranführen“, betont Litwinow.

Die Ambitionen des Clubs werden aber beim Blick auf den Kader deutlich. Dort geht Anja Mittag auf Torejagd, die als Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin, Champions-League-Siegerin und Deutsche Meisterin alle bedeutenden Titel im Frauenfußball gewonnen hat. „Mit ihr zu arbeiten macht viel Spaß, Anja ist unheimlich offen und herzlich“, sagt der Athletiktrainer über Mittag, die in der kommenden Saison als Individual-Trainerin einbezogen werden soll.

Dabei kommt der Nebenjob für Litwinow fast einem Fulltimejob gleich. Bei fast jedem Auswärtsspiel ist er vor Ort, zudem steht er zweimal pro Woche bei den Trainingseinheiten auf dem Platz. „Dabei ist diese Arbeit für einen Athletiktrainer fast die geringste. Die Arbeit im Hintergrund, beispielsweise die Auswertung der Messsysteme, nimmt mehr Zeit in Anspruch. Ich bin froh, dass meine Freundin als Volleyballerin Verständnis dafür aufbringt und mich immer unterstützt.“

In seinem letzten Spiel für Steinau erfolgreich

Johannes Litwinow früher: Hier gewinnt er ein Kopfballduell für die SG

Kein Wunder also, dass für das eigene Fußballspielen keine Zeit mehr bleibt. Bis 2016 spielte der 30-Jährige noch mit Zweitspielrecht beim Heimatverein SG Steinau, bei seinem letzten Einsatz – einem 4:0 in der Relegation mit Steinau II bei Dammersbach/Nüst – erzielte der frühere Angreifer sogar einen Treffer.

Bis 2019 spielte Litwinow nebenher noch bei den Leipziger Vereinen Olympia und Leutzsch, einem Stadtteil im Norden, ehe er die Schuhe an den Nagel hängte. In der Heimat ist der Steinauer aber noch immer so oft wie möglich, allein, weil seine Eltern hier wohnen. Und die Clique mit bekannten Fuldaer Fußballern wie Dominic Günther, Mark Jaksch und George Kitagenda besteht weiterhin. „Wir treffen uns mehrmals jährlich und stehen stets im Austausch.“

Beruflich wird der Weg vermutlich aber nicht zurück nach Osthessen führen – wenngleich Litwinow nur schwerlich einschätzen kann, wohin die Reise irgendwann einmal führt: „Ich bin mit meiner aktuellen Berufssituation sehr zufrieden, weil der ITK eine ganz besondere Stellung in meinem Leben einnimmt. Auf der anderen Seite gehe ich den Weg bei RB Leipzig sehr gerne weiter, da ich dort mein theoretisches Wissen sehr gut in der Praxis umsetzen kann und mir das Arbeiten im professionellen Kontext viel Freude bereitet.“

Autor: Steffen Kollmann

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