VAR untergräbt die Reputation der Bundesliga-Schiedsrichter
Felix Brych steht am Bildschirm für den Videobeweis. In der aus Eintracht-Sicht entscheidenden Szene in Leverkusen verzichtet er allerdings auf das Hilfsmittel. © DPA Deutsche Presseagentur
Wie viele Belege braucht es noch, um auch dem letzten Fan der elektronischen Spiel- und Schiedsrichterüberwachung aufzuzeigen, dass der Videoassistent aus dem Kölner Keller nicht nur das Spielerlebnis, sondern auch die Reputation der Fußball-Schiedsrichter in der Bundesliga kaputt macht?
VAR untergräbt die Reputation der Bundesliga-Schiedsrichter
Eintracht Frankfurt wurde im Spitzenspiel gegen Meister Bayer Leverkusen am vergangenen Wochenende übel mitgespielt. In der Nachspielzeit verweigerten die Schiedsrichter einen glasklaren Elfmeter. Jonathan Tah stößt Hugo Ekitiké unmittelbar bevor der Frankfurter Stürmer den Ball zum 2:2-Ausgleich einköpfen kann. Der Leverkusener Abwehrchef holt den Stürmer aus der Luft, bringt ihn zu Fall und hätte dafür zwingend Rot sehen müssen. Doch es geschieht nichts! Der Schiedsrichter und seine Videoassistenten bleiben stumm und schenkten Leverkusen drei Punkte im Rennen um die Meisterschaft.
Dabei wurde der VAR in der Saison 2017/18 mit dem Ziel eingeführt, das Spiel gerechter zu machen. Phantomtore, krasse Schwalben, übersehene Abseitssituationen oder versteckte Fouls sollten mit dieser technischen Hilfe geahndet werden. Das werden sie auch, sogar bei kleinsten Vergehen, die für das menschliche Auge unsichtbar bleiben. Allerdings nicht alle, und das ist das Problem. Am vergangenen Samstag hatte Felix Brych, einer der erfahrensten und renommiertesten Schiedsrichter, die die Bundesliga je hervorgebracht hat, das Unverständnis der Experten und den Zorn der Fans auf sich gezogen. Und sein Chef Knut Kircher belegt in der Diskussion mit Stefan Effenberg im Sport1-Doppelpass, dass das deutsche Schiedsrichterwesen in Sachen Spielleitung und VAR mit seinem Latein am Ende ist.
Der DFB-Schiriboss stellte klar, dass Felix Brych den Schubser von Tah an Ekitiké in seinem Ermessensspielraum als nicht relevant eingeordnet und deshalb folgerichtig nicht geahndet habe. Angeblich habe der Videoassistent Günter Perl zu dieser Szene auch keine anderen Bilder vorliegen gehabt, „die die Wahrnehmung des Schiedsrichters widerlegen.“ Deshalb hat er nicht eingegriffen. Unfassbar! Aus welchem Grund leisten wir uns den Aufwand des Videoassistenten, wenn am Ende des Spiels doch nur die subjektive Wahrnehmung des Schiedsrichters zählt? Das Beispiel belegt, dass der VAR das Spiel keinesfalls gerechter macht. Selbst nach sieben Jahren Testphase und diversen Veränderungen produziert der VAR Fehlentscheidungen am laufenden Band. Wie lange will man das den Fans noch zumuten? Wie lange soll das Stadionerlebnis und das Jubeln nur noch unter VAR-Vorbehalt ausgehalten werden?
VAR-Schwachstellen kommen in kritischer Analyse zur Sprache
Der VAR untergräbt aber auch die Reputation unserer Schiedsrichter. Weshalb ist nach Spielschluss – abgesehen von Manuel Gräfe – niemand aus der verantwortlichen Schiedsrichtergilde in der Lage, Klartext zu reden? Weshalb haben sich Felix Brych, sein Videoassistent und Schiriboss Kircher bis heute nicht in aller Form bei der Eintracht und deren Fans entschuldigt? Weshalb werden der Öffentlichkeit derart lächerliche Erklärungsversuche präsentiert, wie es der Schiriboss am Sonntagmorgen getan hat?
Möglicherweise, weil in der kritischen Analyse dieser Fehlentscheidung auch die Schwachstellen des VAR zur Sprache gekommen wären. Es scheint, als seien die Schiedsrichter mit dem Einsatz dieser Technik überfordert. Nicht etwa, weil sie praktisch oder intellektuell nicht dazu in der Lage wären, sondern einfach deshalb, weil diese Technik ein ungesundes Maß an Unverbindlichkeit, Kontrolle und Absicherungsdenken in die Arbeit der Schiedsrichter bringt. Früher war der Schiedsrichter als wahrnehmender Mensch gefragt. Heute ist der Schiedsrichter als Marionette des VAR gefragt. Ich will wieder Persönlichkeiten als Spielleiter auf dem Spielfeld sehen. Schiedsrichter, die ihrer Wahrnehmung vertrauen und die getroffenen Entscheidungen auch als ganze Typen selbst verantworten.