Warum sich Bruchhagen über die „Rückrunde der Schande“ aufregt
Frankfurt - Vor achteinhalb Jahren endete im Mai 2016 eine Ära bei Eintracht Frankfurt . Heribert Bruchhagen übergab das Zepter nach fast 13 Jahren Amtszeit an Fredi Bobic. Der damalige Vorstandsboss der Hessen hatte einiges mit dem Klub erlebt. Seine letzte große Entscheidung, Armin Veh durch den damals noch relativ unerfahrenen Trainer Niko Kovač zu ersetzen, rettete den Traditionsverein vor dem Abstieg . In der Relegation setzte sich die Eintracht gegen den 1. FC Nürnberg (1:1/1:0) durch. Was folgte war ein Bruchhagen, den man euphorisch und ekstatisch wie nie zuvor auf dem Rasen tanzen sah.
Rückblick auf die „Rückrunde der Schande“
Fünf Jahre zuvor waren die Bilder rund um den heute 76-Jährigen ganz andere. Die Saison 2010/11 bleibt eine, die sich tief und fast schon traumatisch im kollektiven Gedächtnis der Eintracht verankert hat. In kurzer Fassung: Die Eintracht hatte am letzten Hinrunden-Spieltag dem Bundesliga-Primus Borussia Dortmund durch den 14. Saisontreffer von Tormaschine Theofanis Gekas die zweite Niederlage verpasst. Die Stimmung? Sie war gut. Daran änderte auch das zu diesem Zeitpunkt durchaus blamable Pokal-Aus bei Alemannia Aachen nichts mehr.
„Wir hatten 26 Punkte und waren uns unserer Sache eigentlich sicher“, sagte Bruchhagen exklusiv im Gespräch mit fussball.news. Der Abstand auf Relegationsrang 16 betrug elf Zähler und auf den ersten direkten Abstiegsplatz gar 14 Punkte. Und dennoch gab es im Winter-Trainingslager in der Türkei durchaus Reibungspunkte in den Gesprächen: „Michael Skibbe wollte natürlich noch Verstärkungen haben, aber wir hatten unser Geld ausgegeben und ich hatte keine Angst, dass uns noch etwas passieren konnte.“
Diesen Faktor machte Bruchhagen dafür aus
Bruchhagen hatte vor allem eine Personalie völlig falsch eingeschätzt: „Ich wusste zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, dass Chris komplett ausfällt. Chris war für uns ein Leistungsträger.“ Der Brasilianer hatte den Spitznamen „Gladiator“ und war bei seinen sieben Einsätzen mit zwei Treffern und einer Vorlage mit der Kapitänsbinde um den Arm vorangegangen. Ein Bandscheibenvorfall setzte ihn komplett außer Gefecht.
Der Ostwestfale nannte zwei weitere Stützen, die nicht immer helfen konnten: „Alexander Meier war viel verletzt und Pirmin Schwegler auch. Das hat uns hart getroffen.“ Damals galt die Regel: Trifft Meier, dann geht es der Eintracht gut. Es kam somit alles zusammen: Da kein Verteidiger mehr kam, halfen Mittelfeldspieler notgedrungen in der Abwehr aus. Es gab viel Zoff, 800 Minuten keinen eigenen Treffer, die Entlassung von Skibbe nach dem einzigen Sieg gegen den FC St. Pauli (2:1), die Installation von Christoph Daum, Gekas nur noch mit einem Doppelpack - und so stand am Ende nach nur acht (!) Rückrundenpünktchen die Bruchlandung auf Rang 17. Selbst das in der Hinrunde mit nur zehn Zählern auf dem Konto abgeschlagene Schlusslicht Gladbach zog noch vorbei.
Bruchhagen mit Seitenhieb gegen Fischer
„Unser Abstieg hing vorwiegend mit der Verletzung von Chris zusammen. Er ist ganz ausgefallen und dann kam es zu dieser Eigendynamik des Misserfolges. Es war bitter, mit 26 Punkten nach der Hinrunde noch abzusteigen“, blickte Bruchhagen noch immer fassungslos zurück. Der langjährige Präsident Peter Fischer prägte den Begriff „Rückrunde der Schande“ . Jeder im Klub weiß ganz genau, was damit gemeint ist.
Bruchhagen hingegen hat dazu eine andere Auffassung: „Ein Abstieg ist immer bitter und der Abstieg hat uns total weh getan, er war fürchterlich. Aber eine Schande ist das nicht. Peter Fischer war ein wunderbarer Präsident beim e.V., aber mit dieser Aussage konnte ich nichts anfangen.“ Eine wirkliche Erklärung für den Absturz kann er aber auch 14 Jahre später nicht liefern: „Die Ergebnisse führten zu einer allgemeinen Verunsicherung und dann haben wir auch reagiert. Wann habe ich denn mal einen Trainer in meinen 30 Jahren Bundesliga entlassen? Das kam bei mir nur in Ausnahmefällen vor. Aber die Verunsicherung war bei allen da und wir wollten noch einmal frischen Wind hereinlassen. Es hat aber nichts mehr gebracht.“
Warum laufen Eintracht-Rückrunden oftmals schief?
Der Absturz 2011 hat die Ängste vor Rückrunden im Eintracht-Lager weiter verstärkt. Egal, wie gut die Serien im Herbst auch waren, es wird stets vor dem Frühjahr gewarnt und gemahnt. Und selbst seit dem Turnaround 2016 war es, mit Ausnahme der dreijährigen Amtszeit von Adi Hütter (2018 bis 2021), auch so, dass das grandiose Abschneiden in den Pokalwettbewerben die schwache Bundesliga-Performance überstrahlt hat. Auf nationaler Ebene hingegen war die Luft dafür oftmals raus.
Bruchhagen kann nur vermuten, woran das liegt: „Ein Motiv für die schwierigen Rückrunden könnte sein, dass die Euphorie, die in Frankfurt ja schnell gezündet wird, schnell zur Depression wird. Der Verein ist ja sehr lebendig und es kann sein, dass ein zu großer Optimismus die Konzentration möglicherweise einschränkt.“ Eine wirklich logische Schlussfolgerung? Die kann auch Bruchhagen nicht liefern: „Aber das ist Spekulation. Eine richtige Erklärung für die Rückrundenschwäche habe ich nicht.“