Wenn der Vater mit den Söhnen...
Zu Besuch bei einem C-Liga-Spiel
Eigentlich zu spät in Großenbach angekommen und doch noch pünktlich, denn der äußerst erfahrene Schiedsrichter Alfred Kiefer - nach eigenem Bekunden hat er über 1500 Spiele gepfiffen - lässt es sich nach ausgiebiger Passkontrolle unter anderem nicht nehmen, den Einlaufpunkt kurzerhand von hinter dem Tor noch auf die Höhe der Mittellinie zu verlegen. Muss alles seine Ordnung haben, auch wenn nur zehn Zuschauer den Anpfiff miterleben.
Und Kiefer, der dem Idealbild des sympathischen Rentners im Schwarzkittel in allen Belangen entspricht, weiß auch wenig später in den Mittelpunkt zu rücken. Den Großenbacher Linienrichter hatte er schon bei Anpfiff auf der Abschussliste. Er solle doch bitte aufstehen und nicht auf der Bank sitzen. Als der vielleicht 15 Jahre alte Bruder von Großenbachs Sebastian Koch dann auch noch zum wiederholten Male nicht die Fahne hebt, hat Kiefer genug und verbannt ihn von der Linie. "Nichts gegen den Jungen, aber das sollte besser ein Erwachsener machen“, weist er an und Hermann Ruppel, der wahrscheinlich noch mehr als 1500 Spiele gepfiffen hat, übernimmt den Dienst an der Linie.
Draußen beobachten Vater Klaus-Peter (54) und Sohnemann Pascal (29) die Szenerie mit einem Lachen im Gesicht. Sie wollen heute erstmals gemeinsam mit dem dritten Böttger im Bunde, Louis (21), ins Geschehen eingreifen. Louis durfte schon von Beginn an ran - aufgrund von Personalnot allerdings ausnahmsweise im Tor. Bei den anderen beiden konnte es nicht für die Startelf reichen: Pascal zog sich kürzlich nicht nur eine schwere Gehirnerschütterung zu, sondern prellte sich auch noch ein paar Lendenwirbel beim Rugby, seiner Sportart Nummer eins, die er in Bamberg betreibt. Und auch Klaus-Peter trägt ob eines Hexenschusses so seine Malessen mit sich herum. Großenbach hat derweil den Gegner im Griff und erzielt die Tore durch die Erfahrenen: Matthias "Patsche“ Henkel und Andreas "Acki“ Reinhard schlagen wie in besten Zeiten zu.
Freistoßtricks und tolle Heber
Reinhard ist so etwas wie der Mann des Spiels: Auch in der zweiten Hälfte trifft er - per tollem Flugkopfball und noch schönerem Heber aus der Luft mit dem ersten Kontakt. Treffer dieser Formate seht man selbst in der Hessenliga nur im Fünf-Wochen-Rhythmus. Gelernt ist gelernt. Dass er die besten größten Chancen etwas kläglich vergibt? Geschenkt!
Mittlerweile ist auch Klaus-Peter auf dem Feld: Mit all seiner Routine glänzt er zunächst als Ballverteiler und ist urplötzlich sogar auf dem Weg zu "seinem“ Tor. Doch im Strafraum hat ein Michelsrombacher kein Verständnis dafür und bringt ihn aus dem Tritt. Kiefer hat längst ein wenig Mitleid und verlegt das Vergehen aus dem Strafraum heraus - vielleicht ist's aus sicherer Entfernung aber auch nicht besser zu erkennen. Der Routinier der "Böttger-Bande" nimmt sich der Sache selbst an, instruiert vorher noch Mitspieler Sebastian Koch und spielt die Kugel rotzfrech an der Mauer als Flachpass vorbei, sodass Koch am langen Pfosten nur den Fuß hinhalten muss. So sieht ein Freistoßtrick aus.
Klaus-Peters Stammhalter Pascal trat schon zuvor in Erscheinung: Zweimal durch Foulspiele, als er seinen durch Rugby durchaus gestählten Körper reinstellte und die weniger muskulösen Gästespieler daran spürbar abprallen und fallen ließ. "Kann ich ja nichts dafür, wenn die nicht trainieren“, sagte er lachend in Richtung Schiedsrichter und dachte dabei wohl an seine regelmäßigen Besuche in der Muckibude. Wenig später erzielte er auch noch das 5:1 per trockenem Schuss aus ganz spitzem Winkel. 20 Minuten für ein Tor: In der Liste der effektivsten Torjäger der C-Liga Lauterbach-Hünfeld schiebt er sich so kurzerhand auf Rang zwei.
Kiste Bier und zwei, drei Gezapfte
Pascal überwand in Keeper Markus Gerhard den besten Michelsrombacher an diesem Tag. Sonst sieht man Markus beim Darts, da "klingelt's" bei ihm auch ständig, allerdings in den Triplefeldern. Einer der besten in der Umgebung an der Scheibe - das aber wirklich nur am Rande. Ansonsten merkt man dem Gast an, dass dort außer Mittelstürmer "König Bernd" Wiedelbach kaum jemand höherklassig gespielt hat. Auch wenn die Mannschaft in der Summe deutlich jünger ist, zählt in der C-Liga dann doch meistens die fußballerische Klasse und die haben die Großenbacher eindeutig auf ihrer Seite.
Anschließend ist die Stimmung super - bei beiden Teams. Bis die ersten Spieler unter die Dusche gehen, ist im "Hauptspiel“ zwischen Großenbach I und Michelsrombach/Rudolphshan II längst Halbzeit. "Ich schwitze ja 'ne Stunde nach“, erklärt Pascal den Grund, obwohl er nur 20 Minuten auf dem Feld stand. Das ehrlichere Argument wäre wohl die Kiste Bier, die schnell geleert wird und auf die eilig zwei, drei Gezapfte folgen. Den Flüssigkeitsverlust bei schwüler Witterung gleichen Spieler wie Schiedsrichter mit "kühlen Blonden" aus.
Selbstredend auch Klaus-Peter, der gemeinsam mit Junior Pascal eingewechselt wurde und das Geschehene auf den Punkt bringt: "Mit uns beiden kam noch ein bisschen Übergewicht ins Spiel, dann lief's richtig rund.“ Hinzuzufügen ist dem nichts mehr. Auch C-Liga-Fußball bereitet Spaß, die Augen müssen dafür allerdings auch mal vom Wesentlichen abschweifen.
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