Wie der Vater Toppmöller so der Sohn

15. November 2024, 14:42 Uhr

Der Lehrmeister 1993: Trainer Klaus Toppmöller bei Eintracht Frankfurt. © imago sportfotodienst

So viele Tore wie aktuell erzielte Eintracht Frankfurt nur unter Klaus Toppmöller, dann verletzte sich Stürmerstar Anthony Yeboah. Omar Marmoush und Hugo Ekitiké sollten das nicht.

Am frühen Donnerstagabend hat Eintracht Frankfurt Wogen geglättet, die gerade im Begriff waren, hochzuschlagen. Es ging um die unerwartete Abreise des einen Himmelsstürmers von der französischen U 21-Auswahl, Hugo Ekitiké, der mit nicht näher umschriebenen Knieproblemen nach Hause in den Stadtwald geschickt worden war. Da schrillten gleich Alarmglocken, aber eine weitere Untersuchung in Frankfurt ergab: Kniegelenkstauchung samt Innenbanddehnung, alles halb so schlimm, bis zum nächsten Einsatz des 22 Jahre alten Angreifers gegen Werder Bremen, am kommenden Samstag, ist es noch hin, eine Woche sollte reichen zur Genesung des Franzosen, der in der Liga bislang zweitbester Eintracht-Schütze ist (fünf Tore, zwei Vorlagen) ist.

Und da beruhigt es die Eintracht-Seele zudem, dass auch dem anderen Himmelsstürmer, Omar Marmoush, eine Sonderbehandlung zuteil geworden ist. Marmoush (elf Tore in der Liga, an insgesamt 24 Treffern direkt beteiligt) musste nicht mit der ägyptischen Nationalmannschaft die Pflichtaufgabe auf den Kapverdischen Inseln auf künstlichem Gras bestreiten, er durfte in Kairo bleiben und bis Dienstag, der Partie gegen Botswana, ausspannen.

Marmoush pausiert

Das hörte man gerne im Frankfurter Lager, weil die Sorge groß ist, was passieren würde, wenn sich einer der beiden Topstürmer (oder gar beide) verletzten. Dann wäre es womöglich schnell vorbei mit der Herrlichkeit. Und in Frankfurt kennt man derlei Unbill nur zu genau, und erstaunlicherweise spielt der Name Toppmöller da eine Rolle.

Es ist ja fast auf den Tag 31 Jahre her, als sich Eintrachts legendärer Torjäger, Anthony Yeboah, im Heimspiel gegen Dynamo Dresden so schwer verletzte, dass er den Hessen mehr als vier Monate nicht zur Verfügung stand. Trainer war seinerzeit kein anderer als Klaus Toppmöller, Vater des heutigen Coachs, und Yeboah hatte bis zu seinem verletzungsbedingten Aus neun Tore erzielt.

Alles schon mal dagewesen

Die Eintracht spielte damals jenen „Fußball 2000“, mit dem sie auf Augenhöhe mit dem FC Bayern agierte. In dieser Saison 1993/94 stellte sie einen Rekord auf, 20:2 Punkte (es galt die Zwei-Punkte-Regel), ungeschlagener Tabellenführer, und die Tore fielen am laufenden Band, weil diese Frankfurter Mannschaft lange Zeit im Grunde nur den Vorwärtsgang kannte, im Schnitt erzielten sie im ersten Saisondrittel drei Treffer pro Spiel. Erst am 12. Spieltag kassierten die wie entfesselt spielenden Hessen die erste Niederlage, bezeichnenderweise gegen den MSV Duisburg (0:1). Nach zehn Spieltagen hatten die Frankfurter von 1993 bereits 28 Treffer auf dem Konto.

Erstaunlicherweise kommt auch das aktuelle Team von Toppmöller Junior nach zehn Spielen auf 26 Tore - so viele wie seit der Runde 1993/94 nicht mehr. Duplizität der Ereignisse. Und was damals Yeboah und Uwe Bein (sechs Tore) waren, sind jetzt Marmoush und Ekitiké. Dino wandelt also unübersehbar in den Fußstapfen seines Vaters, 31 Jahre danach, beide, das nur am Rande, waren zu ihrer aktiven Zeit Stürmer. Im öffentlichen Auftreten aber unterscheiden sie sich deutlich: Dino würde nie mit provokanten Äußerungen wie Klaus („Bye, bye Bayern“, oder „wenn ich so Fußball gespielt hätte wie Berti Vogts, so als reiner Wadenbeißer, dann hätte ich mit 18 Jahre meine Fußballschuhe verbrannt“) in die Öffentlichkeit gehen, er ist da diplomatischer, hat zur neuen Saison und entsprechender Kritik seine Ansprache allerdings klar geschärft. Ein wichtiger Ansprechpartner ist der Vater aber weiterhin.

Als Dino im Sommer 2023 als Nachfolger von Oliver Glasner engagiert wurde, so erzählte er es bei seiner Vorstellung, habe ihm sein Vater gleich den Startrekord unter die Nase gerieben. Er, Dino, habe entgegnet: „Den Startrekord kannst du behalten, wenn ich dafür länger da bin als du.“ Das hat der 43 Jahre alte Filius längst geschafft, die Ära Klaus T. endete relativ früh, am 10 April 1994, kein Jahr war der heute 73-Jährige am Riederwald geblieben. Und ihm zum Verhängnis wurde zwar einerseits seine bedingungslose Treue zum untragbar gewordenen Torhüter Uli Stein, aber auch die schwere Verletzung der Tormaschine Yeboah. Denn ohne den ghanaischen Ausnahmestürmer schwächelte die Eintracht gewaltig, zwar gewannen sie die nächsten beiden Spiele (gegen Stuttgart und Leipzig), verloren aber in der Zeit seines Fehlens fünf Partien, gewannen nur drei von elf Begegnungen und rutschten als Herbstmeister immer tiefer in der Tabelle ab, mit Mühe rettete Trainer Karl-Heinz Körbel dem Team noch den fünften Platz und damit die Uefa-Cup-Teilnahme. Erzielten die Frankfurter in zehn Spielen noch 28 Tore, so kamen sie in den dann folgenden 24 nur auf 29. Der Flow war dahin.

So hoffen sie aktuell in Frankfurt, dass den Herren Marmoush und Ekitiké nichts Gravierendes an Sehnen und Muskeln zustößt. Zu ersetzen sind sie momentan nicht, auch nicht von Igor Matanovic, der ein komplett anderer Stürmertyp ist, groß, kantig, Wandspieler, und im Kern kaum kompatibel ist mit dem schnellen, filigranen Kombinations- und Konterfußball, den Eintracht derzeit fast meisterhaft spielt. Das ist sein Dilemma.

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