Zwölf Spiele Sperre hier, sechs Spiele Sperre da
Das Sportgericht von Hersfeld/Rotenburg in Person von Norbert Vollmar, Wilfried Olchewski, Arno Seegebarth und Patrick Kreuzberger hatte viel zu tun. © Ralph Kraus
Verhandelt wurden die Vorkommnisse (Tätlichkeit und rassistische Äußerungen oder unpsortliches Verhalten) rund um das Spiel der Kreisoberliga Nord zwischen dem FSV Hohe Luft Hersfeld und der SG Dittlofrod/Körnbach (2:4) vom 18. August diesen Jahres. Rund eine Stunde nach dem Spiel sollen mehrere Hersfelder Spieler auf dem Parkplatz auf Teile der Dittlofroder Mannschaft gewartet haben. Einem Dittlofroder Spieler soll dabei ein Faustschlag ins Gesicht versetzt worden sein. Hersfeld wiederum warf dem Gegner im Anschluss vor, den Spieler vorher rassistisch beleidigt zu haben. Eine zivilrechtliche Strafanzeige wegen Körperverletzung liegt aktuell übrigens noch nicht vor, wobei der durch einen Faustschlag verletzte Dittlofroder Luca H. anwaltlich durch Stephan Ulrich (Horas) vertreten war.
Schon der Beginn der Sitzung verlief durchaus kurios. Grund: Der TSV Friedewald hatte schlicht vergessen, dass das Sportgericht das Sportlerheim angemietet hatte. Weil auch weder Tische noch Stühle gerückt waren, verzögerte sich der Beginn um gut 20 Minuten. Akt zwei war, dass der Hersfelder Vereinsvertreter am Samstag einen positiven Corona-Test gemacht hatte. Einstimmig wurde ihm aber gewährt, trotzdem der Sitzung beizuwohnen.
Das Sportgericht um den Vorsitzenden Wilfried Olchewski (TSV Obergeis), seine Beisitzer Arno Seegebarth (SG Rotensee/Wippershain) und Norbert Vollmar (TSV Kalkobes) sowie Protokollführer Patrick Kreuzberger (FV Bebra), hatte insgesamt 16 Zeugen und Vereinsvertreter zu hören. Nicht darunter war Schiedsrichter Maurice Grosser, der von all den Vorfällen nichts mitbekommen hatte und deshalb zwar im Vorfeld befragt, aber nicht geladen wurde.
Verhandlung nach Faustschlag
Teil Eins der Verhandlung behandelte die Tätlichkeit. Der beschuldigte Hersfelder Spieler Lahbib O. bestritt in der Zeugenbefragung alles: „Ich war das nicht, denn ich bin schon direkt nach dem Spiel nach Hause. Es gab auch während dem Spiel keinen Kontakt zu dem späteren Opfer.“
Die Zeugen von Dittlofrod sahen das völlig anders. „Der Spieler, der geschlagen hat, hatte noch das Trikot mit der Nummer 16 an“, so der Zeuge Marius B., der den Täter im Sitzungsraum sofort und eindeutig identifizierte. Den Hergang schilderten die Dittlofroder Zeugen einheitlich. „Wir haben nach dem Spiel den Sieg noch ein bisschen in der Kabine gefeiert. Danach sind wir ins Sportlerheim gegangen, haben dort mit Zuschauern von Hohe Luft Fußball geschaut. Danach wollten wir nach Hersfeld fahren, um dort etwas zu essen. Als wir an der Würstchenbude vor dem Vereinsheim mit drei Mann vorbeigegangen sind, kamen die ersten beiden von uns noch vorbei, ehe Luca einen Schlag ins Gesicht gesetzt bekam. Täter war eindeutig der Beschuldigte.“
Der als Zeuge geladene Platzordner-Obmann Timo R. konnte zur Tat nichts sagen. „Ich war im Urlaub.“ Warum er dennoch auf dem Spielberichtsbogen eingetragen war, konnte R. nicht erklären.
Hohe-Luft-Trainer Paco Garcia konnte nicht zur Wahrheitsfindung beitragen. „Von dem Vorfall an sich habe ich nichts mitbekommen. Was ich sagen kann ist, dass die Stimmung schon im Spiel sehr angeheizt war. Mich hat beispielsweise ein Spieler von Dittlofrod in unserem engen Gang an die Bande gedrückt. Das war respektlos. Alles andere habe ich erst mitbekommen, als die Sache bereits gelaufen war.“ Alle Spieler von Hohe Luft, die als Zeugen geladen waren, sagten aus, dass sie sich zum Tathergang entweder in der Kabine, unter der Dusche oder im Sportlerheim aufgehalten hätten und von den Geschehnissen auf dem Parkplatz nichts mitbekommen hätten. Auch die als Alibi angedachte Aussage des Vaters von Lahbib O. zerplatzte. „Mir kommen die Aussagen der Zeugen doch alle sehr suspekt und abgesprochen vor“, monierte Sportrichter Olschewski schon früh in der Beweisaufnahme.
Der Verein Hohe Luft behauptete auf Nachfrage des Sportgerichts, alles versucht zu haben, den Übeltäter in den vergangenen Wochen zu identifizieren. Alle Bemühungen hätten aber kein Ergebnis gebracht. Das äußerten Vereinsvertreter und Trainer unisono.
Anders die Aussagen von Dittlofrod/Körnbach: „Ich kann den Täter heute zu 100 Prozent identifizieren. Es war Lahbib El O.“, machte der Geschädigte Luca H. eine klare Aussage. Das Opfer konnte auch zwei anwesende Zeugen aus Reihen von Hohe Luft benennen, die entgegen ihrer Aussagen sehr wohl am „Tatort“ gewesen seien.
Ging der Tat eine rassistische Beleidigung voraus?
Im zweiten Akt der Sitzung ging es um den Vorwurf, dass das „Opfer“ Luca H. zunächst die Hersfelder Spieler mit den Worten „So ein Pack wie ihr gehört vergast“ beleidigt haben soll. Nun drehte sich der Spieß. Jetzt waren die Hersfelder Spieler plötzlich sehr redefreudig, wollten alles mitbekommen haben. Mehrere Hersfelder Zeugen bestätigten die Aussage in einem sehr hitzigen Spiel, der sich zwischen der 35. und 45. Minute abgespielt haben soll. Dem Vorwurf widersprach Luca H. jedoch vehement. „Meine Worte waren: Geh dich vergraben. Der Spaten geht auf mich. Genau das habe ich gesagt. Alles andere stimmt nicht“, so Luca H.
Julien B. aus dem Hersfelder Tross sagte aus, „dass es immer mal während der Spiele gegenseitig Trash-Talk am Feld gibt, aber dass, was da vorgefallen ist, das hat alles bisherige überboten.“ Als B. vom Anwalt von H. die einfache Frage gestellt bekam, warum er diese Beleidigungen denn nicht dem Schiedsrichter mitgeteilt hat, preschte ein Hersfelder Teamkollege dazwischen. „Beantworte diese Frage nicht. Das ist der Anwalt.“
Auch zu den rassistischen Äußerungen konnte der Referee nichts aussagen. Dies gab er vorher dem Sportgericht zu Protokoll. So war hier die Beweisaufnahme deutlich schneller abgeschlossen. In seinem Schlusswort sagte der Vereinsvertreter von Hohe Luft, „dass es in beiden Fällen schwierig ist, die Wahrheit zu finden. Ich kann in keine Richtung eine Aussage treffen. Hier steht jeweils Aussage gegen Aussage.“ Ähnlich äußerte sich auch der Vertreter von Dittlofrod/Körnbach.
Der Anwalt von Luca H., Stephan Ulrich, gab zu bedenken, „dass von Hohe Luft erst erst viel später der Versuch gestartet wurde, einen Gegenpart über die rassistische Schiene aufzubauen. Mein Antrag ist es deshalb, das Verfahren wegen rassistischer Beleidigung gegen meinen Mandanten einzustellen.“
Die Urteile
Der Spieler Luca H. wurde wegen grob unsportlichen Verhaltens nach Paragraph 17 Nummer 4a für weitere sechs Pflichtspiele gesperrt. Möglich war ein Strafmaß von vier bis vier bis 36 Pflichtspielen. Es wurde am unteren Limit geurteilt. Eine rassistische Entgleisung konnte ncht festgestellt werden. Der Hersfelder Akteur Lahbib El O. bekam zwölf Spiele Sperre. Hier hätte das Sportgericht bis zu 36 Spielen Sperre aussprechen können. Beide Akteure saßen bereits seit dem 28. August eine Vorsperre ab. Diese Spiele werden dem Strafmaß nicht angemessen. Zudem müssen sich beide Vereine die Verfahrenskosten von jeweils 55,60 Euro teilen. Ob die Vereine Rechtsmittelverzicht einlegen werden, wurde noch nicht entschieden. Somit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.