Nmecha-Transfer zum BVB: „Null Toleranz für Intoleranz“

06. Juli 2023, 12:30 Uhr

Felix Nmecha (links, mit Sportdirektor Sebastian Kehl) wechselte vom VfL Wolfsburg zu Borussia Dortmund. Der Transfer ist bei den Fans des BVB umstritten. © Borussia Dortmund

Nachdem die BVB Bosse 30 Millionen Euro auf einen Tisch in Wolfsburg legten, um die Dienste eines 22-jährigen Fußballtalents und Nationalspielers für ihren Club zu sichern, haben sie sich gleichzeitig eine vereinsinterne Krise eingekauft. Die Fans laufen gegen die Verpflichtung Sturm, denn Felix Nmecha passt nicht zu den verbrieften Werten des BVB. Ein Kommentar von Harald Lange.

Felix Nmecha hatte in den sozialen Medien mehrfach Posts geteilt, die homophob und queerfeindlich waren. Das alles hat er zudem in den Bahnen einer ausgeprägten religiösen Orientierung begründet. Und selbst als klar wurde, dass er damit Menschen diskriminiert und verletzt hat, kam er nicht auf die Idee sich zu entschuldigen.

So eine Ausrede hat der BVB-Präsident Dr. Reinhold Lunow für ihn übernommen und nach einem Gespräch mit dem zwielichtigen Fußballprofi der Öffentlichkeit erklärt: „Mein Vertrauen hat er.“ Gemeinsam mit Hans-Joachim Watzke formuliert der BVB-Präsident zudem seine Einschätzung zu Nmecha: Er sei „sehr jung, seine Religion ist tief in ihm verwurzelt und er ist – wie wir alle – sicher nicht fehlerfrei. Aber er hat uns in intensiven Gesprächen absolut davon überzeugt, dass er kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich trägt“ (…). „Felix hat selbst betont, dass er alle Menschen respektiert und liebt, unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung.“

Nmecha-Transfer zum BVB: „Null Toleranz für Intoleranz“

Welch ein Widerspruch. Es deutet vieles darauf hin, dass die BVB-Oberen bereit sind, aufgrund der gegebenen sportlichen Perspektive den Kern ihres soeben beschlossenen Grundwertekodex ad absurdum zu führen.

Borussia Dortmund ist in mehrerlei Hinsicht ein wertvoller Verein: Klasse Mannschaft, super Trainer und ein beeindruckendes Umfeld. Die Fan- und Fußballkultur ringsum des Westfalenstadions zählt zweifelsohne zu den Highlights unserer Fußballlandschaft. Dabei fallen die offensiv gelebten Traditionen und Werteorientierungen besonders auf. „Echte Liebe“, so lautet nicht nur ein biographischer Buchtitel zum Wirken des BVB-Bosses Hans-Joachim Watzke, sondern auch ein Versprechen an die Fans: Beim BVB nimmt man es Ernst mit den Werten.

So gesehen war es entweder ein großer Marketing-Coup oder ein Meilenstein für unsere kritische Fußballkultur, dass der BVB im Schulterschluss mit seinen Mitgliedern einen aus neun Punkten bestehenden Grundwertekodex entwickelt hat.

Fakt ist: Bodenständigkeit und Werteorientierung sind in der Plastikwelt des modernen Profifußballs attraktive Marker für das Herausbilden von Vereinsidentität und damit Magnet für Aufmerksamkeit, Fans, Zuschauer, Social Media Resonanz und letztlich auch für Werbepartner und Sponsoren.

Borussia Dortmund: Grundwertekodex ist prägnant und klar

Auf der Mitgliederversammlung des BVB am 20. November 2022 wurde der engagiert betriebene Prozess auf die Zielgerade gestellt und nahezu einstimmig beschlossen. Der BVB hat seitdem einen prägnanten und klaren Grundwertekodex, der als Leitbild für das Handeln jeder und jedes Einzelnen im Verein sein soll. Damals brachte der Präsident Dr. Reinhold Lunow die Idee und Perspektive dieser moralischen Leitlinie ehrfurchtsvoll auf den Punkt: „Auf diesen Grundwertekodex, der im Zusammenspiel mit unseren 168.000 Mitgliedern entwickelt worden ist, können wir stolz sein. Er ist ein Meilenstein in der Geschichte unseres Vereins.“

In diesem Meilenstein werden bemerkenswerte Punkte festgehalten. Der BVB bekennt sich zur Bundesliga und wird niemals in einer – davon losgelösten – Superleague spielen. Es werden auch die Vereinsfarben, Trikots, Hosen, Stutzen und das 1913 entwickelte Wappen als unumstößliche Zeichen des Vereins für alle Ewigkeit in der bestehenden Form und Farbe gesichert. Ebenso wie die Haltung zur 50-plus-1-Regel.

„BVB wirkt mit der Verpflichtung von Felix Nmecha wie der Meister der Scheinheiligkeit“

Auch darüber hinaus ist dieser Grundwertekodex ein lesenswertes Schriftstück. Unter der Überschrift „Wir sind wie eine Familie“ wird das Bekenntnis zur Diversität unmissverständlich auf den Punkt gebracht: „Wir verstehen uns als vielfältige, inklusive Gemeinschaft, sind Heimat für Borussen unabhängig ihres Alters, ihres Aussehens, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und Orientierung, ihrer Kultur, ihres Glaubens, ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität oder ihrer sozialen Herkunft.“

Soviel steht fest: Papier ist geduldig und damals suchte man noch keinen Nachfolger für Jude Bellingham. Das Formulieren eines Grundwertekodex ist ebenso einfach wie das Verbreiten wertebezogener Sprüche und Hashtags. Demgegenüber ist die verbindliche Ausrichtung des eigenen Handelns eine echte Herausforderung, an der der BVB gegenwärtig zerbricht. Da liegt es auf der Hand, dass die Fans protestieren, denn der BVB wirkt mit der Verpflichtung von Felix Nmecha wie der Meister der Scheinheiligkeit.