Makoto Hasebe: Am Ende einer langen Reise

17. April 2024, 16:29 Uhr

Der Vorzeigeprofi geht bald in den Ruhestand: Eintracht-Stratege Makoto Hasebe. © IMAGO/Hartenfelser

Der Eintracht-Methusalem Makoto Hasebe macht nach mehr als 20 Jahren Profifußball Schluss. Über einen Profi, der mehr ist als ein Fußballer

Besser als Bartosz Niedzwiedzki hätte niemand die kurze Abschiedszeremonie des großartigen Menschen Makoto Hasebe zusammenfassen können. Als der Eintracht-Altmeister seine emotionale Reise durch fast zweieinhalb Jahrzehnte Profifußball beendet und sich sogar noch eigens bei den Medienschaffenden für eine stets respektvolle Zusammenarbeit bedankt hatte, ergriff der Frankfurter Pressesprecher noch einmal ganz kurz das Wort. „Der Mann hat Anstand und Stil“, bedeutete Bartosz Niedzwiedzki knapp und brachte mit einem Satz das Wirken des Makoto Hasebe auf den Punkt; ein Wirken, das weit über den Sport hinausreicht. Ein Leben, in dem es um Werte, Loyalität, Aufopferung und Demut geht. Als Makoto Hasebe dann den Raum verließ, hatten sehr wohl einige einen Kloß im Hals, eine japanische Journalistin rührte der Abgang gar zu Tränen. Ein Taschentuch musste herhalten.

So ist das, wenn einer geht, der gar nicht gehen sollte, weil er weit mehr ist als nur ein Sportler, nämlich ein Idol, eine Ikone, eine Legende. „Makoto kann auf eine Karriere als Vorzeigeprofi zurückblicken“, sagt Sportvorstand Markus Krösche. „Er war stets ein großes Vorbild für viele Spieler.“ Doch irgendwann war klar, dass der Moment kommen würde, auch ein alter Hase wird nicht jünger, und wer spielt denn allen Ernstes noch mit 40 Jahren Fußball auf diesem Niveau? In der Bundesliga gibt es keinen einzigen. „Es war eine schwere Entscheidung“, sagt der Defensivspieler, doch der Entschluss reifte in den letzten Wochen immer mehr. „Ich konnte mich auf die Zeit vorbereiten. Seit fünf, sechs Jahren hatte ich das Gefühl, dass der Moment kommen würde – jetzt ist er gekommen. Ich glaube, es ist der richtige Zeitpunkt.“ Dennoch habe er gerade ein „komisches Gefühl“, bereuen werde er die Entscheidung aber nicht.

Er hat in sich hineingehorcht, der Körper braucht jetzt doch mehr Zeit, bis er regeneriert ist, da helfen selbst die geliebten Vollbäder nichts. Auch der Geist war stets beansprucht. Das zehrt. „Ich habe gemerkt, ich sollte langsam den nächsten Step machen.“ Er wird der Eintracht als Coach im Nachwuchsbereich erhalten bleiben, womöglich als Co-Trainer der U21. Es gebe nur noch Details zu klären. Dass er hier bleibt, stand für ihn sowieso fest. „Die Eintracht ist mein Verein, Frankfurt meine zweite Heimat“, sagt eine von zwei Identifikationsfiguren, die im Sommer aufhören. Auch Sebastian Rodes Laufbahn ist dann vorüber.

Makoto Hasebe, Meister mit Wolfsburg, Pokalsieger und Europapokalgewinner mit der Eintracht, Absteiger mit Nürnberg, 114-facher Nationalspieler, Kapitän Japans, dreimaliger WM-Teilnehmer, ist ein Phänomen, eine Ausnahmeerscheinung, eine Lichtgestalt in diesem so kruden Geschäft. Ein leuchtendes Vorbild für die Mitspieler, selbst für die Trainer. Alle, ob Niko Kovac, Adi Hütter, Oliver Glasner oder jetzt Dino Toppmöller, loben ihn über den grünen Klee. „In meiner Karriere gab es wenige Spieler, die diesen Willen auf diesem Toplevel hatten“, sagt Toppmöller.

Verehrt wie ein König

Zur Wahrheit gehört auch: Unter keinem Trainer hat Hasebe, der insgesamt 383 Bundesligaspiele auf dem Buckel hat und 303 Pflichtspieleinsätze für die Eintracht, so wenig gespielt wie jetzt unter Dino Toppmöller, in der Liga stand er nur zweimal in der Startelf. Auch das war ein Grund, einen Schlussstrich zu ziehen. „Ich habe sehr wenig gespielt.“ Verärgert oder nachtragend ist er deshalb nicht. Er würde sich darüber nie beschweren, das ist nicht seine Art, das macht ein Hasebe nicht, ein Mensch, der, wie Dolmetscher Alexander Ostern sagt, „ein Über-Japaner ist, anständiger als anständig“. Der langjährige Wegbegleiter muss es wissen.

Hasebe, „der Beckenbauer Asiens“, hat am Mittwoch aber eines klargestellt, und zwar mehrfach. „Es ist noch nicht vorbei.“ Er will sich unbedingt mit einem Erfolg verabschieden. „Wir wollen Platz sechs sichern“, sagt er. Und nimmt daher sich und seine Mitstreiter in die Pflicht. „Es geht nur gemeinsam, wir als Mannschaft müssen am Freitag auf dem Platz etwas zeigen. Emotion, Leidenschaft, Konsequenz. Wir wissen um die Bedeutung.“

Die Aussicht auf den Europapokal treibt ihn auf den letzten Metern an. „Ich würde mich unheimlich freuen, wenn ich auf der Couch oder der Tribüne als Fan internationale Spiele meiner Eintracht sehen könnte“, sagt er. Es wäre so etwas wie sein eigenes Vermächtnis.

Er wird Einfluss nehmen, will die jungen Kerle einschwören, ihnen näherbringen, was auf dem Spiel steht und was eine europäische Teilnahme für einen Verein wie die Eintracht bedeute. Er wird die richtige Worte finden müssen, leicht fällt ihm das nicht immer. „Ich muss ehrlich sagen: Das ist eine andere Generation, viele Spieler könnten meine Kinder sein.“

Der zweifache Familienvater, der einst ein Buch schrieb („Die Ordnung der Seele“), wird in der Kabine fehlen, als Aushängeschild soll er dem Klub erhalten bleiben. Gerade in Japan. In seiner Heimat wird er verehrt wie ein König. „Sein Stellenwert in Japan als Sportler und Mensch ist unglaublich hoch“, sagt Sachio Howoldt, der Hasebe als Auslandskorrespondent lange begleitete. Nur ein Beispiel: Die Eintracht wird den verdienten Spieler mit einer hochrangigen Delegation im Mai auch in Tokio offiziell verabschieden. In Windeseile hatten sich mehr als 100 Reporterinnen und Reporter zur Pressekonferenz angemeldet. Tendenz steigend. Tränen werden dann wieder einige fließen. Das ist ziemlich sicher.